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Wer haftet bei Digitalen Gesundheitsanwendungen?

Ärzte sollten Apps nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnen
Apps sind in Deutschland inzwischen gefragte Alltagsbegleiter – auch im Gesundheitswesen. Seit Oktober 2020 übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Ihre Nutzung ist in der letzten Zeit stetig gestiegen. Doch wer haftet eigentlich, wenn bei Patienten Gesundheitsschäden auftreten?
© domoskanonos

Mit dem 2019 in Kraft getretenen „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) hat der Gesetzgeber die Entwicklung von DiGAs gefördert. Die Frage nach der haftungsrechtlichen Verantwortung kommt aber in der Diskussion häufig zu kurz. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) hat dazu ein Handout veröffentlicht. Ihrer Auffassung nach sollte sich jeder Arzt bzw. Psychotherapeut mit DiGAs auseinandersetzen, da sie ihm im Praxisalltag begegnen werden. Entweder verordnen sie selbst die App im Rahmen der Behandlung oder der Patient wünscht eine von der Krankenkasse genehmigte App einzusetzen.

Haftung nach Behandlungsfehler oder mangelnder Aufklärung

Nach allgemein gültigen Haftungsgrundsätzen haftet ein Arzt oder Psychotherapeut, wenn ein Behandlungsfehler oder eine fehlende Aufklärung nachzuweisen ist, die zu einem Gesundheitsschaden des Patienten führt. Aktuell gehört aber der Einsatz von DiGAs noch nicht zum allgemein anerkannten medizinischen Standard. Das heißt: Es gibt bislang keine Verordnungspflicht. Vielmehr sollte jeder Arzt/Psychotherapeut sorgfältig zwischen dem konkreten Nutzen speziell für den Patienten und dem damit verbundenen Risiko abwägen.

Auflistung im DiGA-Verzeichnis allein kein Qualitätskriterium

Dabei gibt es einiges zu bedenken: Die Aufnahme in das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführte DiGA-Verzeichnis allein sei der KVB zufolge kein Qualitätsmerkmal, da auch DiGAs „zur Erprobung“ gelistet werden. Außerdem sind die Hersteller der DiGA nur verpflichtet, Kontraindikationen anzugeben und nicht Informationen zu möglichen Risiken. Und schließlich bleibt die Frage, ob der Patient sich für den Umgang mit Tablet oder Smartphone eignet.

Der Arzt und Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Christian Dierks, hält das Haftungsrisiko dennoch für gering. Die DiGAs seien geprüft und haftungs- und datenschutzrechtlich unbedenklich, erklärte er in einem Interview mit der Bertelsmann-Stiftung. Es gäbe keine offenen Rechtsfragen, so Dierks. Der Hersteller hafte für die Funktionalität der App, der Arzt für die Auswahl. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die DiGAs seien in Deutschland wahrscheinlich weltweit am höchsten, sodass man sich als Arzt auch darauf verlassen könne.

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