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Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen

Ungehorsam sein gegenüber Zwängen
Zwangsstörungen sind die vierthäufigste psychische Erkrankung. Es wird davon ausgegangen, dass mehr als zwei Prozent der Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens darunter leiden. Die Symptome treten je nach Belastung und Befinden unterschiedlich ausgeprägt auf, und ihre Anzahl schwankt von Person zu Person. Als Ursache werden eine genetische Veranlagung oder belastende Lebensereignisse angenommen, etwa der Verlust eines nahen Menschen.
© AndreyPopov

Zwangsstörungen können sich sowohl in Zwangsgedanken als auch in Zwangshandlungen äußern, meistens tritt beides zusammen auf. Der Alltag der etwa zwei Millionen betroffenen Deutschen wird von Unbehagen, Angst-, Ekel- oder Schamgefühlen bestimmt. Sie leiden unter wiederkehrenden Gedanken, Impulsen und Vorstellungen, die sich nicht unterbrechen oder unterdrücken lassen. Um sie auszuschalten und die Ängste und Spannungen abzuschwächen, entwickeln Erkrankte häufig Handlungsrituale: Zum Beispiel waschen und putzen sie oft, um sich und andere nicht mit Bakterien zu infizieren, oder sie kontrollieren wiederholt, ob der Herd ausgeschaltet ist, damit kein Brand entsteht. Diese Handlungen können zu stundenlang andauernden und sich stark ausweitenden Zwangsritualen werden, wodurch eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben immer weniger möglich ist.

Eine Zwangsstörung entwickelt sich in der Regel um das zwanzigste Lebensjahr, bis zum 35. Lebensjahr sind die Symptome voll ausgeprägt. Bei über Fünfzigjährigen gibt es kaum Neuerkrankungen. Der Verlauf tritt mitunter vorübergehend auf, in den meisten Fällen aber chronisch. Nur selten verschwinden die Symptome spontan. Da Betroffene ihre Erkrankung gewöhnlich verheimlichen, dauert es durchschnittlich fünf bis sieben Jahre, bis sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten wenden. Mittlerweile können viele Zwangssymptome zwar mit der richtigen Behandlung auf ein erträgliches Maß reduziert, aber selten vollständig geheilt werden.

Unterstützung für den Weg aus dem Zwang

In der 1995 gegründeten Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen (DGZ) engagieren sich Betroffene sowie medizinische und psychologische Experten gemeinsam gegen Zwangsstörungen. Ihre Hauptaufgabe sehen sie darin, Hilfe zur Selbsthilfe und zum Leben mit der Erkrankung zu geben. Außerdem möchten sie mit Öffentlichkeitsarbeit fachkundig über Zwangsstörungen und die daraus entstehenden Probleme aufklären, um vorhandene Vorurteile abzubauen und mehr Akzeptanz für die Betroffenen zu erreichen.

Die obersten Prioritäten sind auf der Website erkennbar: Hier werden aktuelle Themen aus Forschung und Therapie veröffentlicht; Informationen zu Erkrankung, Formen und Diagnose zur Verfügung gestellt sowie Forschungsstudien vorgestellt – mit den nötigen Angaben für eine Teilnahme. Außerdem gibt es eine Veranstaltungsübersicht, nützliche Literaturempfehlungen, Tipps für Angehörige und Z-aktuell, die viermal im Jahr erscheinende Zeitschrift.

Umfangreiches Hilfsangebot

Weitere Informationen liefern Broschüren, etwa Leitfäden für Angehörige oder für Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Sie sind für Mitglieder kostenlos. Das Archiv mit Presseberichten hält TV-, Radio- und Videobeiträge bereit. In einem kurzen Quiz können Sie Ihr Wissen rund um Zwangsstörungen testen. Für Betroffene, Angehörige und Experten bietet das Zwänge-Forum Austauschmöglichkeiten. Sie können außerdem eigene Beiträge zum Thema in der Rubrik „Gedankenwelten“ veröffentlichen, zum Beispiel als Gedicht, Tagebucheintrag oder Kurzgeschichte.

Betroffene und ihre Angehörigen finden eine Liste mit Selbsthilfegruppen und erhalten direkt bei der DGZ-Geschäftsstelle die genauen Kontaktdaten für eine Gruppe in ihrer Nähe. Darüber hinaus informiert die Gesellschaft über geeignete Therapien und führt eine umfangreiche Datei mit Psychotherapeuten aus dem gesamten Bundesgebiet, die sie auf Nachfrage zur Verfügung stellt.

(Selbst-)Test machen

Wenn Sie vermuten, dass bei Ihnen oder einer Person in Ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld eine Zwangserkrankung vorliegt, kann dieser Selbsttest einen ersten Hinweis geben. Er ergänzt die Selbstdiagnose nach Rasmussen und Eisen, mit der rund 80 Prozent der Zwangsstörungen erkannt werden, um zwei Punkte. Fragen Sie, ob derjenige

  • sehr viel putzt und sich ständig die Hände wäscht
  • vieles mehrmals kontrollieren muss
  • quälende Gedanken hat, die er loswerden möchte, aber nicht kann
  • sehr lange für Alltagstätigkeiten braucht
  • über Ordnung und Symmetrie nachdenkt.

Wenn mindestens eine der Fragen mit „Ja“ beantwortet wird und sich der Befragte beeinträchtigt fühlt, könnte eine Zwangsstörung gegeben sein. Raten Sie dem Betroffenen in diesem Fall dazu, Kontakt zu seinem Hausarzt, einem Psychotherapeuten oder Facharzt für Psychiatrie aufzunehmen, der eine gesicherte Diagnose stellen kann.

Covid-19 – nicht allein durch die Pandemie!

Wenn Zwänge mit realen Gefahren zusammentreffen, ist die Belastung für Menschen mit Zwangsstörungen sehr groß. Viele Betroffene fühlen sich durch die Corona-Pandemie in ihren Zwängen bestätigt und waschen, putzen und kontrollieren noch mehr. Sie erhalten Beistand über das DGZ-Forum und die Hotline.

Für die Zeit nach der Pandemie ist zu erwarten, dass die Zahl der Zwangserkrankungen steigen wird, weil die Angst vor Viren schwerer zu bekämpfen ist als die Viren selbst, meint die DGZ. Einen positiven Ausblick gibt es: Betroffene fallen gerade weniger aus dem Rahmen. Aktuell muss sich niemand schämen, weil er beispielsweise den ganzen Tag Handschuhe trägt. Vielleicht hilft das, offener mit der Erkrankung umzugehen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V.

Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V.

Pestalozzistraße 22

22305 Hamburg

Telefon 040 68 91 37 00

Mo bis Fr von 10:00 bis 12:00 Uhr

www.zwaenge.de

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