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Mutismus Selbsthilfe Deutschland

Hilfe für die, die kein Wort sagen können
Mit Mutismus wird eine eher seltene Kommunikationsstörung bezeichnet, bei der sich eine Person nicht mehr verbalsprachlich mitteilen kann und den Drang dazu nur noch in gedämpfter Form oder gar nicht verspürt, obwohl sie über angemessene Sprachkompetenzen verfügt. Die Kernsymptomatik zeigt sich als Schweigen. Betroffen sind circa 0,7 Prozent der deutschen Bevölkerung, vor allem Kinder, aber auch Jugendliche und Erwachsene.
© JackF

Das Schweigen tritt konsequent personen-, orts- oder situationsabhängig auf und variiert. Es liegt immer eine individuelle Systematik zugrunde. So gibt es Kinder, die zum Beispiel nur innerhalb ihrer Kernfamilie sprechen und außerhalb schweigen, andere hingegen sprechen auch mit Freunden und Verwandten oder kommunizieren nonverbal sehr ausgeprägt. Besonders häufig zeigt sich das Schweigen in Bildungskontexten, bei unbekannten Menschen oder in neuen Situationen.

Mutismus ist eine Angststörung und zieht gravierende psychosoziale Konsequenzen nach sich. Selten gibt es eine einzige Ursache, sondern meistens ein ganzes Gefüge. Die Erklärungsansätze sind medizinisch-psychiatrischer, psychologischer und sprachheilpädagogischer Natur. Mutismus erfordert daher in den meisten Fällen eine interdisziplinäre Betrachtung und Betreuung.

Ein Betroffener gründet die Mutismus Selbsthilfe

Ende der 1990er Jahre erfuhr Michael Lange, dass er Mutismus hat. Es gab damals nur wenige Kenntnisse darüber und kaum Spezialisten, die es therapieren konnten. Über seine  Website, mit der er das Informationsdefizit beheben wollte, entwickelte sich allmählich ein Netzwerk aus Betroffenen, Angehörigen und Therapeuten. 2003 fand der erste Mutismus-Workshop statt, 2004 gründete Lange den Verein Mutismus Selbsthilfe Deutschland.

Sein Ziel ist es, die Öffentlichkeit, die Fachöffentlichkeit und Betroffene über Ursachen, Formen und Folgen von Mutismus aufzuklären sowie zur Verbesserung der Behandlungsmethoden beizutragen. Der Verein unterstützt kompetente Anlaufstellen sowie nationale und internationale Forschungsansätze.

Infos über Mutismus

Die Mutismus Selbsthilfe Deutschland stellt auf ihrer Website Flyer zum Download zur Verfügung, zum Beispiel darüber, was Mutismus ist. Die Leitlinien für Pädagogen und Schulen unterstützen den Umgang mit Mutismus im schulischen Kontext. Erfahrungsberichte von Eltern und Betroffenen geben Einblicke in ihre Situation. Weitere Informationen liefert die Sammlung von Fachartikeln, ebenso eine Liste mit themenbezogenen Büchern. Videos über Mutismus können im YouTube Kanal des Vereins angesehen werden.

Ratsuchende finden Ansprechpartner in der Auflistung von Mutismus-Hotlines.
10 FAQ erklären unter anderem Symptome, Medikamenteneinnahme, Therapieformen und Ursachen. Der Verein gibt Mutismus.de heraus, eine Fachzeitschrift für Mutismus-Therapie, Mutismus-Forschung und Selbsthilfe. Interessierte können Tagungen, Lehrveranstaltungen und Fortbildungen besuchen. Im Juni 2021 findet die Mutismus-Tagung online statt.

Netzwerke auf die Beine gestellt

Der Verein hat das zertifizierte Therapeuten-Netzwerk für Deutschland und Österreich ins Leben gerufen. Therapieeinrichtungen müssen vier Zertifizierungskriterien erfüllen, um aufgenommen zu werden: Kassenzulassung (Institutionskennzeichen), Erfahrung mit mutistischen Patienten, Nachweis einer Mutismus-Fortbildung und die Vereinsmitgliedschaft. Zertifizierte Einrichtungen werden online veröffentlicht. Wer also eine Therapieeinrichtung in der Nähe sucht, wird hier per Postleitzahleneingabe fündig.

Über das Eltern-Netzwerk können Mütter und Väter Kontakt zu anderen betroffenen Eltern aufnehmen. Das Netzwerk funktioniert ebenfalls über eine Postleitzahlensuche, so können Eltern wohnortnah zusammenfinden. Wer hier gelistet werden möchte, wendet sich an den Verein.

Zusätzlich bietet ein Online-Forum Betroffenen und Angehörigen die Möglichkeit, sich mit anderen über Mutismus auszutauschen.

Stuttgarter Rahmenempfehlungen zur Mutismus-Therapie (SRMT)

Die Mutismus Selbsthilfe Deutschland hat 2013 die SRMT verabschiedet. Mit ihnen wendet sich der Verein gegen (mitunter jahrelange) Therapien, in denen weder konkretes Sprechen geübt wird, noch Stationen wie Kindergarten, Schule, Ausbildung und Studium eine Rolle spielen, obwohl nachweislich vor allem dort situationsbedingter Mutismus auftritt. Für Betroffene und ihre Angehörigen ist es essenziell, dass die gute Prognose im Kindesalter therapeutisch genutzt wird, um eine Aufrechterhaltung des Schweigens und damit eine Mutismusbiografie zu verhindern.

Die SRMT ermöglichen Eltern, Angehörigen und Betroffenen, durchgeführte oder bestehende Therapieprozesse zu bewerten und stagnierende Behandlungen zu hinterfragen. Sie können in zehn Sprachen heruntergeladen werden.

 

Elektiver oder selektiver Mutismus

Die Termini „elektiver Mutismus“ und „selektiver Mutismus“ beschreiben dasselbe Störungsbild. In deutschsprachigen nichtmedizinischen Beiträgen wird in Abgrenzung zur Medizin gewöhnlich vom selektiven Mutismus gesprochen. Ärzte dagegen verwenden traditionell meistens „elektiver Mutismus“. Welcher Begriff bevorzugt wird, lässt sich auf ideologisch bedingte Abgrenzungswünsche und weniger auf inhaltlich-fachliche Unterscheidungskriterien zurückführen.

„Selektiv“ bedeutet, dass Betroffene in einigen Situationen und gegenüber manchen Personen alles andere als stumm sind. Erst ein Auslöser bringt sie dazu, sofort zu schweigen, meistens auch nonverbal. Sie wirken plötzlich wie erstarrt, ohne Mimik und Körpersprache. Der Mensch mit Mutismus hat keine Wahl, ob das passiert oder nicht. Daher mögen es Betroffene nicht, wenn vom „elektiven“, also von einem gewählten Mutismus die Rede ist.

Quelle: Mutismus Selbsthilfe Deutschland e. V.

 

Mutismus Selbsthilfe Deutschland e. V.

c/o Dominik Apel

Oberpleiser Straße 25

50939 Köln

www.mutismus.de

Außerdem interessant:

Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke

Mukoviszidose Bundesverband

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