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Nachhilfe für GKV-Spitzenverband und Heilmittelverbände

Wissenschaftliches Gutachten für Bundesgesundheitsministerium: Ohne Leistungsbeschreibung kein Preis!
Seit Monaten verhandeln die Heilmittel-Verbände mit dem GKV-Spitzenverband über die angemessene Vergütung. Und das vergleichsweise erfolglos, denn entweder sind die Ergebnisse aus Sicht der Heilmittelerbringer ungenügend, wie bei den Logopäden, oder es gibt keine Ergebnisse, sondern nur kryptische Ausführungen der Schiedsstelle, wie sich die Verhandlungspartner auf wirtschaftlich angemessene Preise einigen.
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In der Mai-Ausgabe von up|unternehmen praxis haben wir vergleichsweise ausführlich über Mechanismen zur Preisfindung geschrieben – und dabei noch einmal darauf aufmerksam gemacht, wie entscheidend es für die Preisfindung ist, dass vorher die Leistungsbeschreibungen vollständig und verbindlich vereinbart worden sind.

Das Thema hat Renate Kaiser, Physiotherapeutin und up-Leserin aus Tübingen ziemlich interessiert und sie hat sich daran erinnert, dass das Bundesgesundheitsministerium vor einiger Zeit eine „wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungssystem“ (KOMV) eingesetzt hat, um die Honorare der Ärzte realistischer gestalten können. Diese Kommission hat ein Gutachten zu diesem Thema erstellt, auf das uns Renate Kaiser aufmerksam gemacht hat. Dankeschön dafür!

Das Gutachten befasst sich mit der Preisbildung im vergleichsweisen eng regulierten deutschen Gesundheitswesen – mit klarem Fokus auf die Arzthonorare, sowohl die GKV- als auch PKV-Honorare. Die dort angestellten Überlegungen und vorgeschlagenen Strategien lassen sich problemlos auf die Heilmittelbranche übertragen.

Die Autoren beschreiben ihr Vorgehen so: „Auf Basis intensiver Diskussionen, der Anhörungen von relevanten Akteuren aus dem Gesundheitswesen und Auswertungen der wissenschaftlichen Literatur hat die Wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungssystem (KOMV) einen Katalog von Zielen für ein modernes ambulantes Vergütungssystem entwickelt und hält dabei die folgenden Oberziele für maßgeblich: Versorgungsqualität, Wirtschaftlichkeit der Versorgung (Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit), Angemessenheit und Transparenz der ärztlichen Vergütung, bedarfsgerechter und finanzierbarer Zugang sowie die Praktikabilität des Systems.“ Da steht nichts, was nicht praktisch identisch auch auf Heilmittelerbringer anwendbar wäre.

Kommission empfiehlt einheitliche Vergütung

Die Kommission will die Leistungsbeschreibung für GKV und PKV vereinheitlichen: „Eine einheitliche Vergütung für ambulante ärztliche Leistungen wäre dabei mit einer Reihe von Vorteilen im Hinblick auf die Anforderungen an ein modernes Vergütungssystem verbunden. Es entstünden langfristig wirtschaftliche Synergieeffekte, da nicht mehr zwei Leistungsverzeichnisse mit darauf aufbauenden Kalkulations(system)en parallel weiterentwickelt werden müssten. Wissen und Daten könnten zusammengeführt und die Kostenkalkulation so verbessert werden, dass finanzielle Fehlanreize bei der Behandlungsentscheidung reduziert und die Versorgungsqualität verbessert werden könnten. Die Transparenz über das Leistungsgeschehen und die Praktikabilität im medizinischen Alltag würden erhöht.“

Das kennen wir auch aus dem Heilmittelbereich: GKV-Leistungsbeschreibungen, Zertifikationspositionen, Beihilfe-Richtlinien, GebüTh, GebüH etc. fristen mehr oder weniger unabgestimmt ihr Dasein. Dazu kommen individuelle, freiwillige Erstattungspraktiken von Kassen, die auf Basis individueller Leistungsbeschreibungen erfolgen. Ein einheitlicher Leistungskatalog würde der gesamten Branche sicherlich guttun.

Voraussetzung: Einheitlicher Leistungskatalog

Dazu wollen die Mitglieder der Kommission erst einen über alle Erstattungsarten hinweg verbindlichen Leistungskatalog erstellen (Leistungslegendierung): „So differenziert der vorliegende Vorschlag zwischen der Definition der ärztlichen Leistungen (Leistungslegendierung) und der relativen Kostenbewertung von Leistungen einerseits – d.h., den in Faktoren ausgedrückten Kostenverhältnissen von ärztlichen Leistungen im Vergleich zueinander – und den Preisen für diese Leistungen andererseits. Während die Leistungslegendierung und die relative Kostenkalkulation von gemeinsamen Gremien der vertrags- und privatärztlichen Versorgung entwickelt werden, werden die Preise auf dieser Grundlage weiterhin in dualen Verhandlungsregimen (gemeinsame GKV-Selbstverwaltung bzw. PKV/BÄK) ermittelt. Dabei können neben den Kosten auch regionale, fachspezifische, mengenbezogene und andere – übergeordnete – Gesichtspunkte einfließen, insbesondere der medizinische Nutzen bzw. die Förderungswürdigkeit einer Leistung oder das generelle Vergütungsniveau.“

Das Verfahren ist schlüssig und kann exakt so für den Heilmittelbereich eingesetzt werden. Die Mitglieder der Kommission beschreiben das Vorgehen so: „Für eine komplette Vereinheitlichung der bestehenden Vergütungssystematiken bis hin zur Festlegung gleicher absoluter Preise müssten zunächst eine gemeinsame Definition der Leistungspositionen („Leistungslegendierung“) und eine einheitliche Kalkulationsgrundlage und -systematik (mit einer i. d. R. expliziten relativen Bewertung der Kosten) entwickelt werden. Hierfür wäre ein gemeinsames institutionelles Arrangement zu schaffen, welches kollektiv die Erstellung, Pflege und Weiterentwicklung der neuen Vergütungsordnung verantworten würde.“

Für die Verhandlungspartner der bundeseinheitlichen Rahmenverträge, nämlich die Heilmittelverbände und den GKV-Spitzenverband, zeigt das Gutachten der Kommission einen wissenschaftlich fundierten Ansatz zur Preisfindung auf, der vermutlich für alle Beteiligten zu einem besseren Ergebnis führen würde als das unsägliche Geschacher mit methodisch fragwürdigen Gefälligkeitsgutachten der jeweiligen Vertragspartner.

Interessierte Kollegen können sich das Gutachten der Kommission hier herunterladen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/bericht-komv.html

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