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Verordnen ohne wirtschaftliches Risiko

Besonderer Verordnungsbedarf und langfristiger Heilmittelbedarf
Manche Diagnosen erfordern besonders viel Therapie. Dazu können etwa ein plötzlich eingetretenes Ereignis wie ein Schlaganfall oder eine angeborene Erkrankung wie Mukoviszidose gehören. Damit Ärzte diesen Patienten die nötige Heilmitteltherapie verordnen können, ohne ihr Budget zu sprengen, gibt es die Möglichkeit der extrabudgetären Verordnung. Dazu zählen der „Besondere Verordnungsbedarf“ (BVB) und der „Langfristige Heilmittelbedarf“ (LHB). Wir zeigen Ihnen, was dabei zu beachten ist.
© marchmeena29

Bei bestimmten Erkrankungen ist von Anfang an klar, dass Patienten einen erhöhten Therapiebedarf haben werden, der nicht über die orientierende Behandlungsmenge abzudecken ist. Damit diese Patienten nicht das Budget der Ärzte überstrapazieren bzw. nicht jedes Mal eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der extrabudgetären Verordnung geschaffen. Hier ein kurzer Überblick, bevor wir auf den folgenden Seiten auf die Feinheiten eingehen.

Langfristiger Heilmittelbedarf

Der G-BA hat eine Liste mit Indikationen festgelegt, bei denen ein langfristiger Heilmittelbedarf besteht. Für Diagnosen, die auf dieser Liste stehen, ist ein gesondertes Antrags- und Genehmigungsverfahren bei den Krankenkassen nicht erforderlich. Ist die Erkrankung jedoch nicht aufgeführt, können Patienten bei ihrer Krankenkasse einen individuellen Antrag auf Genehmigung stellen (mehr zum langfristigen Heilmittelbedarf lesen Sie hier). LHB-Verordnungen sind sicher extrabudgetär und unterliegen nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Besonderer Verordnungsbedarf

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband legen in einer gesonderten Diagnoseliste fest, bei welchen Erkrankungen Patienten oftmals mehr Heilmittel benötigen und daher einen besonderen Verordnungsbedarf (BVB) haben. Zudem haben die KV Sachsen und die KV Nordrhein zusätzlich regionale besondere Verordnungsbedarfs bzw. Praxisbesonderheiten vereinbart. Anders als beim langfristigen Heilmittelbedarf werden die Kosten für BVB-Verordnungen erst bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen aus dem Verordnungsvolumen der Vertragsärzte herausgerechnet. Wie beim LHB wird auch beim BVB die medizinische Begründung nicht mehr auf der Verordnung dokumentiert. Es reicht die Dokumentation in der Arztpraxis. Heilmittelerbringer können die Ärzte hier mit ihren Therapieberichten unterstützen.

Frequenzdiskussion beendet

Auf LHB- und BVB-Verordnungen können direkt Heilmittel für bis zu zwölf Wochen verordnet werden. Dabei muss die Verordnungsmenge in Abhängigkeit von der Therapiefrequenz so kalkuliert werden, dass ein Zeitraum von bis zu zwölf Wochen nicht überschritten wird. Bisher war es dabei ein Problem, dass die meisten Krankenkassen bei einer Frequenzspanne (von – bis) immer auf den niedrigsten Wert zur Berechnung der Höchstmenge zurückgegriffen haben. Mit der Neufassung der Heilmittel-Richtlinie hat sich das geändert, denn § 7 Abs. 6 stellt klar, „dass im Falle der Angabe einer Frequenzspanne immer auf den höchsten Wert zur Berechnung der Höchstmenge je Verordnung zurückzugreifen ist.“

Ein Beispiel:

Nach der neuen Regelung gilt für 24 Behandlungseinheiten KG mit einer Frequenz 1-2 pro Woche die GKV-Berechnung: 24/2 = 12. Die Verordnungsmenge auf der VO ist gültig. Zum Vergleich: Früher hätten die meisten Krankenkassen 24/1= 24 gerechnet und damit eine ungültige Menge festgestellt.

Was bedeutet „extrabudgetär“?

Jeder Arzt hat für die Verordnung von Heilmitteln ein Budget. Wie dieses bestimmt wird, hängt von der jeweiligen KV ab. Budgets, die sich durch Heilmittel-Richtgrößenvolumen ergeben, sind vorab bekannt. Werden diese um mehr als 25 Prozent oder die Fachgruppendurchschnitte um mehr als 50 Prozent überschritten, kann der Arzt in Regress genommen werden. Ergibt sich das Budget aus den Durchschnittsverordnungen der jeweiligen Facharztgruppe, wird es im Nachhinein ermittelt. In beiden Fällen gilt: Das Budget des Arztes hängt von statistischen Durchschnittswerten ab (Heilmittel-Richtgrößenvolumen oder Budgetierung nach Durchschnittsverordnungen). Nicht „durchschnittliche“ Verordnungen werden aus dem Budget herausgerechnet, sie sind dann extrabudgetär.

Prüfen: Extrabudgetäre Verordnung?

Auf der neuen Verordnung Muster 13 ist nicht direkt erkennbar, ob es sich um einen besonderen Verordnungsbedarf oder einen langfristigen Heilmittelbedarf handelt. Es gibt kein entsprechendes Feld, das angekreuzt werden kann. Bei Verordnungen mit vielen Behandlungseinheiten sollten Therapeuten daher prüfen, ob hier ein BVB oder LHB vorliegt. Denn ist dies nicht der Fall und die Höchstmenge je Verordnung wird überschritten, tragen die Therapeuten das wirtschaftliche Risiko, dass die zu viel verordneten Behandlungen von der Krankenkasse nicht bezahlt werden.

Hintergrund: Mit Inkrafttreten der neuen HeilM-RL gibt es keine VO außerhalb des Regelfalls mehr. Jetzt können Ärzte zwar auch weiterhin über die orientierende Behandlungsmenge hinaus VO ausstellen, dabei gilt jedoch jeweils die Höchstmenge je VO weiter. Die bisherige Möglichkeit, mit einer VO außerhalb des Regelfalls Heilmittel für einen Zeitraum von zwölf Wochen verordnen zu können ist damit seit dem 1. Januar 2021 weggefallen.

Tipp: Geben Sie die VO in Ihre Praxissoftware ein. Diese zeigt Ihnen an, ob es sich um eine extrabudgetäre Verordnung handelt.

Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt extrabudgetäre Verordnungen:

Themenschwerpunkt 2.2021: Extrabudgetäre Verordnungen

Leistungsanspruch vs. Heilmittelbudget: Wieso Ärzte, Patienten und Therapeuten von extrabudgetären VO profitieren

Besonderer Verordnungsbedarf: Darauf kommt es bei der Verordnung an

Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB): Diese beiden Möglichkeiten gibt es

Verordnungsbereitschaft erhöhen: Wie Sie mit aussagekräftigen Berichten die Begründung für den Therapiebedarf liefern

Arztgespräche erfolgreich lenken: Kommunikationstipps für den persönlichen (und digitalen) Kontakt

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