up|unternehmen praxis

Leistungsanspruch vs. Heilmittelbudget

Wieso Ärzte, Patienten und Therapeuten von extrabudgetären VOen profitieren
Was Ärzte verordnen dürfen, regelt der Heilmittelkatalog. Gleichzeitig müssen Vertragsärzte aber auch auf ihre Heilmittelbudgets achten, sonst können Regresszahlungen drohen. Indem Therapeuten Ärzte dabei unterstützen, extrabudgetär zu verordnen, schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Patienten erhalten die benötigte Therapie und die Ärzte müssen sich keine Sorgen um Wirtschaftlichkeitsprüfungen machen. Um überzeugend zu argumentieren, ist es wichtig, das Spannungsfeld zwischen Leistungsanspruch und Wirtschaftlichkeitsgebot zu kennen.
© simarik

Gesetzlich Krankenversicherte haben einen rechtlichen Anspruch auf die Versorgung mit Heilmitteln. Wie dieser genau aussieht, ist im Heilmittel-Katalog des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geregelt. Dieses oberste Organ der Selbstverwaltung der GKV bestimmt, was zulasten der Krankenkassen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich ist – und was nicht.

Wirtschaftlichkeitsgebot in § 12 SGB V (1): „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftliche sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

Dem Leistungsanspruch der Versicherten, wie er im Heilmittel-Katalog geregelt ist, stehen die Heilmittelbudgets der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gegenüber. Sie richten sich nicht nach dem Leistungsanspruch der Versicherten und wurden nie mit dem Heilmittel-Katalog abgeglichen, sondern orientieren sich an den Heilmittelausgaben der Vergangenheit im jeweiligen KV-Gebiet. So kommt es, dass etwa in Sachsen pro 1.000 Versicherte doppelt so viele Therapieeinheiten verordnet werden wie in Westfalen-Lippe. Dabei gilt überall der gleiche Heilmittel-Katalog und die Patienten haben den gleichen Anspruch auf Heilmittelleistungen.

Kostenkontrolle: Ein notwendiges Übel

Im Prinzip funktioniert das System so, dass die Ärzte Gutscheine für eine Leistung ausstellen (Verordnung), die die Patienten dann in der Heilmittelpraxis einlösen. Die Krankenkassen bezahlen. Dabei wollen die Krankenkassen natürlich eine gewisse Kontrolle über die Kosten behalten. Das ist völlig berechtigt. Schließlich liegt es auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten, dass die Krankenkassen die Beiträge nicht verschwenden, sondern davon nur Behandlungen bezahlt werden, die auch wirklich nötig und sinnvoll sind.

Durch die Heilmittelbudgets wird nun Druck auf die Ärzte ausgeübt, nicht zu viele Verordnungen auszustellen. Denn wenn sie ihr Budget überschreiten, können sie für ihre Ausgaben über Budget möglicherweise in Regress genommen werden. Um nun die beste Versorgung für die Patienten herauszuholen, können Therapeuten die Ärzte dabei unterstützen, extrabudgetär, also ohne wirtschaftliches Risiko, zu verordnen – etwa indem sie den Therapiebedarf in den Berichten besonders hervorheben.

Wirtschaftlichkeitsprüfung kurz erklärt

Der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung vereinbaren jedes Jahr Rahmenvorgaben nach § 86 Abs. 6 und 7 SGB V. Auf dieser Basis werden zwischen den Kassen und der jeweiligen regionalen KV regionale Prüfvereinbarungen geschlossen. Dem entsprechend erfolgen individuelle Wirtschaftlichkeitsprüfungen der einzelnen Ärzte.

Die Prüfverfahren können sich an verschiedenen Werten orientieren:

  • Richtgrößen/Richtwerte
    Bei der Prüfung nach Richtgrößen bzw. Richtwerten werden diese mit den Fällen der Arztpraxis multipliziert und ergeben das jeweilige Heilmittelbudget. Wird dieses um mehr als 25 Prozent überschritten, droht ein Regress.
  • Durchschnittswerte
    Bei der Prüfung nach Durchschnittswerten werden im Nachhinein die durchschnittlichen Verordnungskosten der Facharztgruppen miteinander verglichen. Hier kann eine Überschreitung von 45 bis 70 Prozent zu Regressen führen.
  • Wirtschaftlichkeitsziele
    In diesem Fall führt es zu Regressen, wenn die vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele nicht erreicht werden.
  • MRG-Auffälligkeitsprüfung
    Die sogenannte MRG-Auffälligkeitsprüfung (Morbidity Related Groups) bedient sich einer Art gewichteten Richtgröße, die zu einem etwas mehr an die Morbidität der jeweiligen Patientengruppe angepassten Heilmittelbudget führt.

 

Es würden den Rahmen sprengen, hier auf das Prüfverfahren jeder KV mit seinen Besonderheiten einzugehen. Aber werfen Sie doch mal einen Blick in die Prüfvereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigung in Ihrer Region. So können Sie das Verhalten der Ärzte besser nachvollziehen und Ihre Argumentation entsprechend anpassen. In der Regel finden Sie diese problemlos auf der Website der jeweiligen KV.

Keine Heilmittelbudgets für Zahnärzte

Auch Vertragszahnärzte können Heilmittel verordnen. Sie müssen sich dabei jedoch keine Gedanken um festgelegte Budgets machen. In einer Publikation der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zur zahnärztlichen Heilmittelverordnung heißt es zum Thema Wirtschaftlichkeit: „Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zur vertragsärztlichen Versorgung für die vertragszahnärztliche Heilmittelverordnung keine Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 Abs. 6 und 7 SGB V bestehen.“ Allerdings sind auch bei Zahnärzten Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Einzelfälle möglich.

Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt extrabudgetäre Verordnungen:

Themenschwerpunkt 2.2021: Extrabudgetäre Verordnungen

Verordnen ohne wirtschaftliches Risiko: Besonderer Verordnungsbedarf und langfristiger Heilmittelbedarf

Besonderer Verordnungsbedarf: Darauf kommt es bei der Verordnung an

Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB): Diese beiden Möglichkeiten gibt es

Verordnungsbereitschaft erhöhen: Wie Sie mit aussagekräftigen Berichten die Begründung für den Therapiebedarf liefern

Arztgespräche erfolgreich lenken: Kommunikationstipps für den persönlichen (und digitalen) Kontakt

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all Kommentare
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x