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Besonderer Verordnungsbedarf

Darauf kommt es bei der Verordnung an
Im Januar 2017 wurden die besonderen Verordnungsbedarfe (BVB) gemäß § 106 b SGB V in das Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung eingeführt. Sie werden im Falle einer Prüfung aus dem Heilmittelausgabenvolumen des Arztes herausgerechnet und ermöglichen es Ärzten so, für die gelisteten Diagnosen viel Heilmittel zu verordnen, ohne damit ihr Budget zu belasten oder einen Regress zu riskieren.
© sturti

Seit Inkrafttreten der neuen HeilM-RL am 01. Januar 2021 müssen Patienten nicht mehr zunächst den Regelfall durchlaufen, wie dies noch nach der alten Fassung der HeilM-RL der Fall war. Für Indikationen mit besonderem Verordnungsbedarf gilt nun das Gleiche wie bei langfristigem Heilmittelbedarf: Liegt die entsprechende Indikation vor, können Ärzte direkt für bis zu zwölf Wochen verordnen (s. § 7 Abs. 6 HeilM-RL). Dennoch sind Ärzte oft skeptisch, wenn es darum geht, lange Verordnungen auszustellen. Dabei sind die Informationen zu BVB auch in deren Software hinterlegt. Anhand der Diagnoselisten können Sie zögerlichen Ärzten jedoch aufzeigen, wie sie ganz einfach extrabudgetär verordnen können.

Die richtige Diagnose finden

Bei manchen Diagnosen ist der besondere Verordnungsbedarf befristet, z. B. auf ein Jahr nach Akutereignis. Hier lassen sich aber oftmals andere, ebenfalls zutreffende Diagnosen finden, die keine solche zeitliche Einschränkung haben (s. Beispiel Schlaganfall). Für Patienten ab vollendetem 70. Lebensjahr sind besonders die unter „Geriatrische Syndrome“ gelisteten Diagnosen interessant. Wer hier genau hinschaut und mit dem Arzt spricht, findet für diese Altersgruppe sicher Heilmittel, die sich extrabudgetär verordnen lassen. Sie können auch in einem Therapiebericht auf eine dieser Diagnosen hinweisen.

Die Diagnoseliste langfristiger Heilmittelbedarf / besonderer Verordnungsbedarf finden Sie hier: https://www.kbv.de/media/sp/Heilmittel_Diagnoseliste_Druckversion.pdf

Arzt muss BVB selbst kennzeichnen

Der Arzt muss über seine extrabudgetären Verordnungen, die den besonderen Verordnungsbedarf und regionale Praxisbesonderheiten betreffen, selbst buchführen. Denn diese werden erst bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aus seinem Heilmittelvolumen herausgerechnet. Das heißt, in den Verordnungsstatistiken, die ihm seine KV schickt, wird er immer als auffällig erscheinen. Jedes ärztliche Praxisverwaltungssystem ermöglicht es aber, Verordnungen als extrabudgetär zu kennzeichnen, sodass der Arzt auf diesem Weg den Überblick über seine tatsächlichen Heilmittelausgaben behalten kann.

Datum des Akutereignisses

Eine Verordnung ist schneller als „extrabudgetär“ zu erkennen, wenn – wo immer das passt – das Datum des Akutereignisses auf der VO angegeben wird. Ohne diese Information lässt sich nicht prüfen, ob eine mögliche zeitliche Beschränkung des BVB eingehalten wird und die VO über die Höchstmenge je Verordnung hinaus behandelt werden kann. Ist kein Datum des Akutereignisses angegeben, können und müssen Heilmittelerbringer die VO dahingehend auch nicht prüfen. Dann liegt es in der Verantwortung des Arztes.

Tipp: Bei BVB-Verordnungen kann es vorkommen, dass 100 oder mehr Behandlungseinheiten zu einer VO gehören. Die entsprechenden Unterschriften der Patienten sammeln Sie dann einfach auf einem Beiblatt.

Beispiel: BVB bei Schlaganfall

Schlaganfall (I63.0) ist in der Diagnoseliste als besonderer Verordnungsbedarf benannt. Dabei gilt eine Frist von bis zu einem Jahr nach Akutereignis. Die medizinischen Leitlinien empfehlen hier Intensivtherapie. Dennoch verordnen Ärzte hier häufig zurückhaltend – aus Angst um ihr Budget, obwohl es sich hier um eine extrabudgetäre Verordnung handelt. Es gilt also, Überzeugungsarbeit zu leisten. Nutzen Sie als Argument die medizinischen Leitlinien (www.awmf.org).

Wichtig: Der Heilmittelkatalog kennt hier keine Einschränkung bezüglich der maximalen Frequenz je Heilmittel. Eine Intensivtherapie könnte also so aussehen:

6 x Woche KG-ZNS als Doppelbehandlung

Das entspräche einer Verordnung mit 144 Einheiten KG-ZNS als Doppelbehandlung mit der Frequenz 1 – 6 (72 Doppelbehandlung/6 x jede Woche= 12 Wochen).

Eine solche Verordnung ist medizinisch sinnvoll, gemäß Heilmittel-Katalog formal erlaubt und innerhalb des ersten Jahres nach Akutereignis sicher extrabudgetär.

Das ist auch möglich, weil Doppelbehandlung in der Neufassung der HeilM-RL § 12 Abs. 8 explizit genannt ist: „Je Tag soll nur eine Behandlung erbracht werden. Eine Behandlung umfasst in der Regel ein vorrangiges Heilmittel und sofern verordnet ein ergänzendes Heilmittel. Ausnahmen regelt der Heilmittelkatalog. In medizinisch begründeten Ausnahmefällen kann dasselbe Heilmittel auch als zusammenhängende Behandlung (Doppelbehandlung) verordnet und erbracht werden.“

Tipp: Auch ein Jahr oder länger nach Akutereignis lässt sich Heilmitteltherapie für Schlaganfallpatienten weiter extrabudgetär verordnen. Dazu müssen Sie nur die passende behandlungsbegründende Diagnose finden. Dafür kommt z. B. G81.0 Schlaffe Hemiparese und Hemiplegie infrage. Hier gibt es für Physiotherapie (ZN) und Ergotherapie (EN1) keine zeitliche Einschränkung.

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