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Diagnose: erschöpft und ausgelaugt

Ziehen Sie die Reißleine, bevor das Burnout-Syndrom droht
Die vergangenen Monate waren von Stress, Existenzangst und Ungewissheit überschattet. Vom absoluten Ausnahmezustand bewegen wir uns nun mit kleinen Schritten hin zu einem normalen, wenn auch veränderten Praxisalltag. Wir blicken hoffnungsvoll in die Zukunft und geben alles, um die Folgen der Krise zu überstehen – immer im Hinterkopf, dass eine zweite Welle möglich ist. Doch Vorsicht: Weder Ihnen noch Ihren Mitarbeitern ist geholfen, wenn die Krise zwar überstanden ist, Sie aber so ausgelaugt sind, dass Sie nur noch im Sparmodus arbeiten können – oder das Burnout-Syndrom Sie sogar ganz ausschaltet.
© Cecilie_Arcurs

Viele schlaflose Nächte liegen hinter uns. Was wird aus meiner Praxis? Wie lange halte ich noch durch? Kann ich alle meine Mitarbeiter halten? Sind die Hilfen vom Staat ausreichend, um sich wirtschaftlich über Wasser zu halten? Wir haben Hygienekonzepte erarbeitet, Abläufe angepasst, viele Gespräche mit Patienten geführt, uns um die Mitarbeiter gekümmert – eben all das getan, um den Praxisalltag so gut es geht am Laufen zu halten bzw. wieder zum Laufen zu bringen. Eine gewisse Zeit lang können wir große Belastungen und Anstrengungen gut wegstecken. Doch je länger der Zustand andauert, desto stärkere Auswirkungen hat er auf unsere Gesundheit.

Unter Dauerstrom

Das Coronavirus stellt zwar einen absoluten Ausnahmezustand dar, die dadurch entstehenden extremen Belastungen sind aber absehbar. Doch seien wir mal ehrlich: Auch vor Corona haben viele von Ihnen sicherlich am Rande der persönlichen Belastungsgrenze gearbeitet. Und der Blick in die Zukunft verspricht auch eine arbeitsintensive Zeit.

Unser Körper signalisiert uns eigentlich ziemlich eindeutig, wenn es ihm zu viel wird – körperliche Beschwerden nehmen zu. Das Problem: Viele ignorieren die Warnsignale. Stehen wir dauerhaft unter Strom, riskieren wir, unsere Gesundheit nachhaltig zu schädigen. Es droht das Burnout-Syndrom.

Anzeichen nicht ignorieren

Das Burnout-Syndrom entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Er entsteht schleichend, mit scheinbar harmlosen ersten Anzeichen. Typisch sind Müdigkeit, Erschöpfung, chronische Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Einige leiden auch vermehrt unter Migräne oder erkranken öfter an Infekten. Auch depressive Verstimmungen, Gereiztheit und der Verlust der Freude an positiven Aktivitäten können Anzeichen sein. Hinter diesen Symptomen können viele Ursachen stecken und genau das macht es oft so schwierig, das Burnout-Syndrom zu diagnostizieren. Wenn jedoch auch verlängerte Wochenenden, Kurzurlaube und sogar der Jahresurlaub keinen Erholungswert mehr haben, ist spätestens das ein Zustand, der nicht von Ihnen ignoriert werden sollte.

Burnout-Notfallplan

Wer erste Warnzeichen wahrnimmt, kann frühzeitig die Reißleine ziehen und verhindern, dass sich ein Burnout-Syndrom manifestiert.

  • Das Wichtigste ist, sich einzugestehen, dass Sie nicht mehr können. Solange Sie sich selbst davor verschließen, können Sie nichts ändern und auch keine Hilfe annehmen.
  • Fahren Sie Ihr Leben herunter. Delegieren Sie so viele Aufgaben wie möglich an Ihre Mitarbeiter und sagen Sie alles ab, was nicht Ihre Existenz sichert oder Ihnen Freude bereitet – auch private Verabredungen. Idealweise verschaffen Sie sich so mindestens zwei Wochen etwas Freiraum.

Wichtig: Verzichten Sie so oft wie möglich darauf, ein konkretes Datum zu nennen, wann Sie sich zurückmelden. Das verursacht nur unnötigen Druck. Sagen Sie einfach, dass Sie sich so schnell wie möglich melden, sobald Sie wieder arbeitsfähig sind.

  • Haben Sie keine Scheu, Ihre Probleme offen gegenüber der Familie und/oder sehr guten Freunden anzusprechen. Zusammen können Sie überlegen, auf welche Weise sie Sie unterstützen können. Oft hilft es schon zu wissen, dass Sie das Thema jederzeit offen ansprechen können uns sich nicht hinter einer Fassade verstecken müssen.
  • Kein Handy, Laptop oder Fernsehen – verzichten Sie auf alles, was Sie anstrengt und gestalten Sie Ihr Umfeld so ruhig wie möglich.
  • Tun Sie das, was Ihnen guttut. Ob mehrmals täglich ein Spaziergang im Wald, ausgiebige Mittagspausen, Gartenarbeit, kochen, malen oder lesen: Es ist ganz egal, um was es sich dabei handelt.

Hinweis: Es gibt keine pauschale Antwort darauf, wie lange Sie benötigen, bis die Maßnahmen Ihnen helfen, wieder Fuß zu fassen und neue Kraft zu tanken. Wichtig ist, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und das Basic-Leben so lange durchzuziehen, bis es Ihnen wirklich spürbar besser geht.

Diagnose Burnout-Syndrom – und was nun?

Wenn Sie nicht regenerieren, obwohl Sie soziale Kontakte, Verpflichtungen und Input von außen auf ein Minimum heruntergefahren haben, ist es ratsam, Ihren Hausarzt aufzusuchen. Da es beim Burnout-Syndrom keine Standard-Therapie gibt, liegt der Fokus darauf, zusammen die ideale Behandlung zu finden, ggf. auch in Zusammenarbeit mit einem Psychologen. Es gibt unterschiedliche Therapiemaßnahmen, die in Frage kommen. Häufig angewendete sind die Verhaltenstherapie und die psychologisch fundierte Therapie.

  • Verhaltenstherapie: Sie zielt darauf ab, ungünstige Verhaltensmuster zu verändern. Etwa die eigenen Ansprüche an sich selbst zurückzuschrauben, mit gutem Gewissen Aufgaben an Mitarbeiter zu delegieren oder an Wochenenden den Laptop beiseitezulegen.
  • Tiefenpsychologische Behandlung: Hier wird geschaut, welche tieferliegenden Gründe für ungünstiges Verhalten ursächlich sein können, etwa sehr perfektionistische Züge. Manchmal liegt der Grundstein dafür in der Kindheit. Die Therapie hilft, solche Konflikte zu erkennen und ein gesünderes Verhältnis zum Thema Arbeit zu entwickeln.

Finden Sie Ihren Weg

So unterschiedlich wie die Therapie selbst, ist auch das Setting, in dem sie stattfinden kann. Sie entscheiden, ob Sie eine ambulante Therapie in Anspruch nehmen oder eine Tagesklinik besuchen möchten, ein stationärer Aufenthalt im Rahmen einer Kur das Beste für Sie ist oder Sie eine psychiatrische Behandlung bevorzugen. Eine ambulante Therapie hat den Vorteil, dass Sie zwar kürzertreten, aber nicht für mehrere Wochen ganz ausfallen und so in gewissem Maße weiterarbeiten können – sofern das möglich und förderlich ist. Für andere ist es hingegen einfacher, für eine gewisse Zeit komplett von der Bildfläche zu verschwinden und sich stationär behandeln zu lassen.

Am besten ist es jedoch, wenn Sie sich erst gar nicht in die Situation bringen, diese Entscheidung fällen zu müssen. Die erfolgreichste Anti-Burnout-Strategie ist und bleibt, frühzeitig die Reißleine zu ziehen, die eigene Situation zu ändern und Wege zu finden, mit Stress besser umzugehen – etwa mithilfe von MBSR, Mindfulness-Based Stress Reduction.

Burnout oder Depression?

Starke Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, verringerte Leistungsfähigkeit – diese Symptome treten typischerweise ebenso bei einem Burnout-Syndrom als auch bei Depressionen auf. Von Eigendiagnosen ist aus diesem Grund auch dringend abzuraten. Denn falsche Maßnahmen können eine Depression sogar noch verschlimmern, etwa viel Schlaf oder ein langer Urlaub.

Viele zögern den Besuch beim Arzt unnötig lange heraus – sei es, weil sie die Probleme selbst nicht wahrhaben möchten, sich einreden, dass sich der Zustand von alleine wieder bessert oder sie sich schlichtweg scheuen, den Arzt davon zu erzählen. Je länger Sie warten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Symptome weiter verschlimmern. Holen Sie sich daher frühzeitig ärztliche Hilfe. Bei einem gebrochenen Bein, starken Bauchschmerzen oder Rückenproblemen suchen Sie ja auch direkt einen Arzt auf. Psychische Probleme stellen da keine Ausnahme dar.

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