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„Netto habe ich mit 20 Stunden Arbeit im Schnitt etwas mehr als eine angestellte Vollzeitkraft“

Interview mit Alexandra Walz, freie Physiotherapeutin und Inhaberin von „mobile physios“
Alexandra Walz arbeitet als freie Physiotherapeutin. Zudem ist sie die Inhaberin von „mobile physios“. Wir haben sie gefragt, wie ihr Arbeitsalltag aussieht, warum sie als Freelancerin unterwegs ist und wie viel sie im Vergleich zu ihren festangestellten Kollegen verdient.
© Alexandra Walz

Frau Walz, wie sind Sie zur Arbeit als freie Therapeutin gekommen und was haben Sie vorher gemacht?

WALZ: Ich arbeite schon immer selbstständig. Vor der Physiotherapie war ich seit 2005 als Sport- und Gymnastiklehrerin und in der Sporttherapie tätig. Auch während der Ausbildung zur Physiotherapeutin habe ich nebenher als Sporttherapeutin u. a. Fußball- und Handballspieler betreut. Nach der Ausbildung habe ich dann direkt freiberuflich gearbeitet – bei den mobilen physios und auch im Bereich betriebliche Gesundheitsförderung usw.

Warum haben Sie sich entschieden, als Freelancer zu arbeiten?

WALZ: Meine Eltern waren schon immer selbstständig, mit eigener Praxis oder mit den mobilen physios. Da ergab es sich für mich einfach, dort mit einzusteigen. Ich finde diese Freiheit, sich die Zeit selbst einzuteilen, einfach gut. Ich kann bestimmen, wann ich in den Urlaub gehe und arbeite selbstbestimmt. Ich habe seit fünf Jahren eine Tochter und da ist es auch schön, die Arbeit ihr entsprechend anpassen zu können. Ich persönlich mag einfach keine festgefahrenen Strukturen.

Außerdem hat dieses mobile Arbeiten ganz gut zu meinem Charakter gepasst, immer mal wieder etwas Neues zu machen, nicht stehenzubleiben und sich immer wieder auf andere Dinge einzustellen. Ich arbeite in der Woche sowohl als freie Physiotherapeutin für Praxen und betreue aber auch weiterhin zwei Firmen im Bereich Prävention am Arbeitsplatz und Massagen. Die Arbeit in den Betrieben ist dann auf Selbstzahlerbasis.

Man muss aber auch der Typ für die Freiberuflichkeit sein. Es gibt ja Menschen, die möchten gerne einen geregelten Arbeitstag haben, mit einem festen Kollegenstamm und den bekannten Patienten. Für solche Therapeuten ist diese Art der Selbstständigkeit dann wahrscheinlich schwieriger. Ich persönlich liebe diese Flexibilität und die Abwechslung.

Wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

WALZ: Ich arbeite aktuell fast ausschließlich mit Hausbesuchen, weil das auch keiner mehr machen möchte bzw. kann. Es gibt einfach viel zu wenige Therapeuten. Und diejenigen, die es gibt, werden natürlich in der Praxis gebraucht. Daher übernehme ich die Hausbesuche. Das war gar nicht die Grundidee meines Arbeitens, sondern hat sich einfach so ergeben. Aber das ist nur ein Arbeitsfeld von vielen, in denen wir mobilen physios arbeiten. Die Hauptausrichtung liegt in der Einmietung in mehreren Praxen, um den allgemeinen Therapeutenmangel in den Praxen etwas abzufangen.

Früher bin ich auch mal 20 oder 30 Kilometer zu Praxen gefahren. Das mache ich heute nicht mehr. Mit Hausbesuchen ist es ähnlich. Wenn ich einen Hausbesuch bei mir um die Ecke habe, den nächsten fünf Kilometer weiter und den nächsten wieder weiter weg, das rentiert sich nicht. Die Hausbesuche müssen sich gut kombinieren lassen. Wir bekommen für einen Hausbesuch 16,22 Euro plus die Behandlung [Stand 28.01.2020, Anm.d.Red.]. Wenn ich aber 20 Minuten hin- und 20 Minuten zurückfahren muss, steht das in keiner Relation mehr. Das ist auch der Grund, warum viele Praxen keine Hausbesuche mehr machen können.

Wie könnte man die Situation denn verbessern?

WALZ: Es wäre eine Überlegung für die Zukunft, die Gesetze so zu ändern, sodass auch freiberufliche Therapeuten Hausbesuche direkt abrechnen können, ohne eigene Praxis mit Kassenzulassung. Einfach, um die Versorgung besser zu gewährleisten. Ich kann mir vorstellen, dass auch viele Therapeutinnen mit Kindern dann hier und da mal ein paar Hausbesuche machen, wenn die Kinder im Kindergarten sind. So etwas wäre für alle ein Gewinn: Die Patienten wären besser versorgt, Therapeutinnen könnten Freiberuflichkeit und Kinder optimal kombinieren und so auch im Job bleiben – zudem stimmt auch der Verdienst dabei.

Wo Sie das Thema gerade ansprechen, wie sind Ihr Verdienst und Ihre Arbeitszeiten im Vergleich zu einer Festanstellung?

WALZ: Der Verdienst passt. Ich bin nicht vom Gehalt meines Mannes abhängig, sondern bin komplett autark. Auch das ist für mich wichtig. Nun haben wir als Therapeuten ja ziemlich viel Radau gemacht, um unsere Honorare zu erhöhen. Das macht sich natürlich bemerkbar.

Ich arbeite aktuell als freie Therapeutin zwischen 20 und 25 Stunden in der Woche und habe knapp das Doppelte von einem angestellten Kollegen, der 38 bis 40 Stunden arbeitet – also brutto natürlich. Abzüglich aller Abgaben habe ich dann mit 20 Stunden Arbeit im Schnitt etwas mehr als eine angestellte Vollzeitkraft. Sozialversicherungsbeiträge, Berufshaftpflichtversicherung und Co. muss ich natürlich im Gegensatz zu Angestellten zu 100 Prozent zahlen.

Ich kann von meiner freiberuflichen Arbeit also sehr gut leben, in den Urlaub fahren, Raten für das Eigenheim abbezahlen usw. Die Voraussetzungen sind aktuell auch einfach ideal. Wenn ich mehr arbeiten wollen würde, könnte ich das problemlos machen. An Anfragen mangelt es zurzeit nicht.

Frau Walz, vielen Dank für das Gespräch.

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