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„Ja, das Geld wird kommen“ – Interview mit Dr. Roy Kühne, MdB, CDU – Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, Physiotherapeut

Herr Kühne, Sie haben in Ihrem Sofortprogramm Physiotherapie 1,8 Mrd. Euro mehr für die ambulanten Heilmittelerbringer gefordert. Daraufhin hat Ihr Gesundheitsminister Spahn das Eckpunktepapier vorgelegt, und alle Welt fragt sich: Kommt jetzt das Geld?

Foto von Roy Kühne

KÜHNE: Ja, das Geld wird kommen, aber nicht ganz so schnell wie ich mir das gewünscht habe. Was der Minister jetzt zugesagt hat, ist zunächst die Angleichung aller Heilmittelpreise an den jeweils bundesweit höchsten Satz bis 2020. Wenn also irgendwo in Deutschland für zum Beispiel die Leistung Physiotherapie 20 Euro bezahlt wird, dann müssen alle regionalen Preisvereinbarungen auf diesen Höchstpreis angehoben werden, egal in welchem Bundesland man sich befindet. Das ist schon mal ein guter Start, für den ich mich bei Jens Spahn ausdrücklich bedanke!

Wieviel bringt denn dieser Start?

KÜHNE: Das Ministerium hat berechnet, dass diese Höchstpreisregelung irgendwas zwischen 500 und 700 Millionen zusätzliche Einnahmen für die Praxen bedeutet. Man darf ja nicht vergessen, dass der Minister nicht einfach Steuergelder an die Praxisinhaber überweisen kann, sondern die Vergütungsstrukturen so ändern muss, dass damit die notwendigen Honorarerhöhungen umgesetzt werden. Die Höchstpreisregelung ist so eine Regeländerung.

Und was kommt dann, wenn alle Preise angeglichen worden sind?

KÜHNE: Wenn wir bundesweit einheitliche Preise haben, muss im nächsten Schritt bei den Physiotherapeuten das Thema angemessene Bezahlung der Zertifikatspositionen geregelt werden, oder auch der vollständige Wegfall dieser Positionen mit entsprechendem Vergütungsausgleich. Da sind die Verbände in der Pflicht und müssen den Spielraum, den wir als Politiker durch die Vorgabe zu bundeseinheitlichen Verhandlungen geben, dann auch nutzen. Aber wenn man mal nur davon ausgeht, dass man sich auf einen einheitlichen Minutenpreis einigen kann, der zum Beispiel in der Mitte zwischen Manueller Therapie und klassischer Physiotherapie liegt, dann bedeutet das einen weiteren Zuschlag von circa 13,5 Prozent. Das sind dann noch mal zwischen 650 und 850 Millionen mehr Honorar. Wohlgemerkt on top, die ganz normalen Vergütungssteigerungen laufen ja weiter.

Aber da sind wir immer noch nicht bei den von Ihnen geforderten 1,8 Milliarden Euro?

KÜHNE: Stimmt, aber wir haben die Folgen der bundeseinheitlichen Höchstpreise noch nicht bis zum Schluss gedacht! Denn auch das steht im Eckpunktepapier: Regionale Besonderheiten müssen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass wir vermutlich für bestimmte Regionen, die besonders hohe Kostenstrukturen verkraften müssen, Ausgleich schaffen müssen, zum Beispiel in Form von Multiplikatoren auf die bundeseinheitlichen Höchstpreise. In der Spitze, also Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern müsste man etwa mit dem 1,3-fachen rechnen, was in Mecklenburg-Vorpommern honoriert werden müsste. Umgerechnet auf alle Bundesländer entspräche das einer Honorarsteigerung von mehr als 17 Prozent. Das ist auf Basis der Behandlungszahlen von 2017 eine Summe von rund 1,2 Mrd. Euro mehr Honorarumsatz.

Das sind dann in der Summe schon mehr als 2,2 Mrd. Euro, die zusätzlich zu den jährlichen Vergütungserhöhungen bei den Therapeuten landen, ist das nicht zu viel?

KÜHNE: Nein, auf keinen Fall! Denn es geht ja nicht darum Therapeuten 1,8 oder 2,2 Mrd. Euro zuzuschustern, sondern dafür zu sorgen, dass wir den schon bestehenden Fachkräftemangel abwenden, indem wir in der ambulanten Versorgung angemessene Gehälter zahlen. Und das bedeutet mindestens so viel Gehalt für ambulant arbeitende Therapeuten, wie der öffentliche Dienst im Krankenhaus bekommt. Wenn wir immer wieder fordern „ambulant vor stationär“ dann muss sich das endlich auch in den Vergütungen wiederspiegeln.

Ihr Plan hört sich ja gut an, wie wahrscheinlich ist es denn, dass es tatsächlich so kommt, wie Sie das hier beschrieben haben?

KÜHNE:  Wie ich schon vorhin gesagt habe: Wir Politiker erlassen mit den Gesetzen die Rahmenbedingungen. Das Ganze mit Leben füllen, müssen zum Beispiel die Verbände. Schon beim HHVG hätte ich mir bessere Ergebnisse gewünscht, sowohl beim Thema Vergütungserhöhungen als auch bei den Modellversuchen. Das hat Jens Spahn ja auch auf dem Therapiegipfel ausdrücklich angemahnt: Wenn die Therapeuten sich nicht einig sind, dann kann Politik da auch nicht viel bewirken.

Jens Spahn hat zugesagt, dass er die Umsetzung des Eckpunktepapiers ab April oder Mai 2019 verstärkt vorantreiben will. Bis dahin ist er mit der Pflege und einem Haufen anderer Themen beschäftigt. Das bedeutet, die Heilmittelbranche hat ein gutes halbes Jahr Zeit, sich einig zu werden, was sie will. Direktzugang und Blankoverordnung für alle, Zertifikatspositionen beibehalten oder abschaffen, Integration aller Verbände in den SHV oder andere Vertretungslösungen, vollständige Akademisierung oder nicht, etc. Da gibt es viel Gesprächsbedarf und jetzt müssen sich alle Beteiligten zusammensetzen und an einer gemeinsamen Vision für die nächsten zehn Jahre arbeiten. Die können Jens Spahn als Minister und ich als Bundestagsabgeordneter dann gern umsetzen.

Außerdem gehört zum Themenschwerpunkt Gesundheitspolitik:

Therapiegipfel in Berlin – einzig guter Vorstoß: Spahn fordert gemeinsame Heilmittel-Lobby

Kommentar zum Therapiegipfel: Vertrösten gewinnt kein Vertrauen

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4 Kommentare
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Clemens-Michael Mäder
08.11.2018 14:30

„Mindestpreise“ für alle Bundesländer finde ich gut!!! Tarifvergleich RVO aktuell… Weiterlesen »

sunny
08.11.2018 0:01

Zitat: *Wenn die Therapeuten sich nicht einig sind, dann kann… Weiterlesen »

markus kieninger
02.11.2018 14:18

Mit diesen Höchstpreisen werden sie keine besonders spürbaren Lohnanpassungen erreichen.Bis… Weiterlesen »

Gerold Kalter
31.10.2018 16:17

Bei den Ausführungen von Roy Kühne finde ich die ständig… Weiterlesen »

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