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„Für Altersvorsorge ist es nie zu spät“ – Interview mit Jan Wohlstein, Vermögensberater bei der DVAG

Kosten für die Praxismiete, Gehälter der Mitarbeiter, Praxisausstattung, die eigene Einkommenssteuer und natürlich die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung. Wer dann auf den Betrag schaut, der nach Abzug all dieser Kosten übrigbleibt, denkt wahrscheinlich automatisch: „Und jetzt investiere ich nicht noch in die Altersvorsorge.“ Oder doch? Jan Wohlstein, Vermögensberater bei der Deutschen Vermögensberatung AG verrät, worauf zu achten ist.
© Jan Wohlstein, DVAG

Herr Wohlstein, was ist das Besondere an selbstständigen Therapeuten in Bezug auf die Altersvorsorge?

WOHLSTEIN: Der größte Fehler von Selbstständigen ist, dass sie das Thema Altersvorsorge oft verschieben. Die Rente ist halt auch nicht so fassbar, wie ein Auto oder ein Kleidungsstück. Das hat im Alter dann leider oft fatale Folgen. Daher empfehle ich immer, sofort mit Beginn der Selbstständigkeit einen bestimmten Betrag für die Altersvorsorge einzuplanen.

Dabei kommt es natürlich darauf an, ob Praxisinhaber bereits in die gesetzliche Rente einzahlen oder nicht. Wir rechnen unseren selbstständigen und nicht pflichtversicherten Kunden immer vor, was sie als Angestellte jährlich an Rentenbeiträgen zahlen würden. Verdient ein Arbeitnehmer 50.000 Euro brutto im Jahr, fließen davon 18,6 Prozent in die Rentenkasse. Das sind 9.300 Euro jährlich.

Im zweiten Schritt schauen wir dann, welche Beiträge ein Therapeut überhaupt für die Altersvorsorge aufwenden kann. Im besten Fall steht die Rente dann auf zwei bis drei Standbeinen. Ist ein Selbstständiger rentenversicherungspflichtig, hat er ja automatisch bereits das erste Standbein mit der gesetzlichen Rente erfüllt. Zusätzlich sind dann die Möglichkeiten von Riester- und Rüruprente, Aktien und Fonds und weiterer Vermögensaufbau möglich.

Welche Kombinationen der Altersvorsorge sind für Praxisinhaber besonders empfehlenswert, um ihre Rente aufzubessern?

WOHLSTEIN: Das kommt auf das Einkommen an. Wer normal verdient, der sollte mit der klassischen Riesterrente beginnen, denn hierbei ist die steuerliche Absetzbarkeit noch höher als bei der Rürup- bzw. Basisrente. Wer wenig verdient, also Berufsanfänger, Alleinerziehende mit Kindern oder Menschen in Teilzeit, sollte eher auf die dritte Ebene setzen – sparen in Form von Lebensrentenversicherungen oder das klassische Sparen. In diesem Fall bekommen Therapeuten das eingezahlte Geld plus Zinsen am Ende ausgezahlt – mit eventuellen Steuerabzügen natürlich. Jeder muss für sich immer schauen, dass die Steuervorteile heute und später im Rentenalter zu den eigenen Gunsten ausgehen. Denn auch im Rentenalter muss man auf Rürup- und Riesterrente Steuern zahlen – aber natürlich nicht so viel, wie heute bei einem höheren Bruttoverdienst. Wichtig ist auch der sogenannte Netto-Netto-Vergleich Also: Was zahlen Therapeuten netto ein und was kommt am Ende netto als Rente heraus.

Wie viel muss ein Therapeut in Etwa monatlich investieren, um im Alter zwischen 500 und 1.000 Euro mehr Rente zu bekommen?

WOHLSTEIN: Das ist pauschal schwer zu beantworten, da es ja verschiedene Modelle gibt, die Therapeuten auch miteinander kombinieren können und sollten. Daraus ergibt sich dann die monatliche Rente im Alter. Wenn wir mal davon ausgehen, dass verschiedene Personengruppen einfach nur Geld ansparen, um ein Vermögen aufzubauen, könnte das so aussehen:

Bei einem Zinssatz von vier Prozent und einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren hat ein 45 Jahre alter Therapeut noch 22 Jahre Zeit, um ein Vermögen aufzubauen. Wenn er sich am Ende zusätzlich zur gesetzlichen Rente 1.000 auszahlen möchte, dann müsste er 240.000 Euro ansparen. Das wäre eine Sparrate von monatlich 570 Euro. Mit 35 Jahren wären es 310 Euro und mit 25 Jahren 186 Euro.

Aber: Wir müssen auch immer die Inflation im Auge behalten. Aktuell rechnen wir mit einer Inflation von 1,5 Prozent. Das bedeutet, dass der 45-Jährige Therapeut, der in 22 Jahren gerne den Wert der 1.000 Euro von heute hätte, später 1.387 Euro bräuchte. Das sind fast 40 Prozent mehr als jetzt. Bei einem 35-Jährigen Therapeuten wären es 1.600 Euro, also 60 Prozent mehr und bei einem 22-Jährigen sogar fast 1.900 Euro, also 90 Prozent mehr. Es ist wichtig, dass Therapeuten dies im Hinterkopf haben, wenn sie sich ihre späteren Rentenauszahlungen berechnen lassen.

Gibt es Alternativen zum Sparen?

WOHLSTEIN: Es ist möglich, in Fonds und Aktien zu investieren. Wer sich wirklich gut damit auskennt, kann dies selbst machen. Ansonsten würde ich empfehlen, sich hier an Profis zu wenden. Denn mit Fonds und Aktien lassen sich in der Regel bessere Renditen erzielt, als bei Riester- und Rüruprenten, oder auch beim klassischen Sparen. Wer sich zehn bis 20 Jahre Zeit gibt, kann mit wenig Aufwand am Ende die Kursschwankungen so für sich nutzen, dass ein kleines Vermögen entsteht.

Ein weiterer wichtiger Punkt in puncto Altersvorsorge ist Eigentum. Ja, die Preise für Häuser, Wohnungen oder auch Praxisräume sind aktuell hoch – dafür aber die Zinsen niedrig. Bei Eigentum gilt jedoch in der Regel, dass es mit den Jahren an Wert gewinnt und unabhängig von Inflationsraten ist. Entweder können Therapeuten im Alter im eigenen Haus günstig wohnen und sparen sich die Miete oder sie verkaufen das Objekt gewinnbringend und haben ein Vermögen, das sie sich nach und nach auszahlen können.

Wie sieht es mit Menschen aus, die mit 50 plötzlich merken: Die gesetzliche Rente wird nicht reichen?

WOHLSTEIN: Praxisinhabern, die bereits über 50 sind, würde ich raten, zu sparen. Das geht dann oft nur noch mit Verzicht im Alltag. Also: weniger Urlaub, kein neues Auto und allgemein Kosten senken. Wer im Monat 300 Euro zurücklegen kann, hat im Jahr schon 3.600 Euro gespart. Ab einem gewissen Alter ist das leider die letzte Option, um später mehr Geld zu haben.

Wovon sollten Praxisinhaber besser die Finger lassen? Welche Angebote sind unseriös?

WOHLSTEIN: Das ist immer der Fall, wenn einem plötzlich mehr versprochen wird, als bei allen anderen Anbietern üblich ist. Wenn es heißt, es wird mit einem Zinssatz von acht bis zehn Prozent gerechnet, ist das aktuell utopisch. Es ist immer besser, ein wenig konservativer zu rechnen, um am Ende vielleicht doch ein bisschen mehr bekommen, weil der Steuersatz in der Realität doch besser war, als in der vorherigen Berechnung. Andersherum entstehen nur Enttäuschungen.


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