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Integrative Lerntherapie

Lernen lernen durch Hilfe zur Selbsthilfe
In Deutschland sind circa sechs bis acht Prozent der Kinder von einer Lernstörung betroffen. Lernstörungen werden von der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) als umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81.0 bis F81.9) definiert. Betroffene Kinder zeigen erhebliche Schwierigkeiten beim Erwerb des Lesens, Schreibens und/oder Rechnens.

Doch auch in anderen Schulfächern haben Kinder mit Lernstörungen Probleme, denn: Lesen, Schreiben und Rechnen gelten als sogenannte Basiskompetenzen. Die Einschränkungen begleiten die Kinder durch ihre gesamte Schullaufbahn und sind daher allzeit präsent. Psychische Störungen wie Versagensängste, Schulunlust, Depressionen, Selbstzweifel, Aggressionen und sozialer Rückzug können folgen.

Oft tritt eine Lernstörung in Verbindung mit anderen Entwicklungsauffälligkeiten auf. Dazu zählen Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörungen (AD(H)S), Sprachentwicklungsstörungen, grob- und feinmotorische Auffälligkeiten sowie Konzentrationsschwächen. Hier bietet die integrative Lerntherapie fundierte Ansätze aus Pädagogik, Psychologie, Medizin, Deutsch und Mathematik, um den Kindern therapeutisch begleitet einen neuen Zugang zur Schriftsprache und/oder Mathematik zu ermöglichen.

Integrative Lerntherapie: Was ist das?

Die integrative Lerntherapie ist mit ihren 25 Jahren eine noch recht junge Disziplin. Sie ist eine Therapieform zur Behandlung von Lernstörungen wie der Lese-Rechtschreibstörung (LRS) und der Rechenstörung. Basierend auf einer ausführlichen Diagnostik ist das Ziel lerntherapeutischer Interventionen, die Lernstörungen zu behandeln, das Umfeld des Kindes in die Entwicklung positiver Lernerfahrungen miteinzubeziehen und seine seelische Gesundheit wiederherzustellen. Dafür bedient sich die Lerntherapie beispielsweise folgender Inhalte: Regeltraining und der Umgang mit Rechtschreibbesonderheiten (wie z. B. die Groß- und Kleinschreibung), Lesetraining und/oder Entspannungs- und Konzentrationsübungen. Auch eine ausführliche Beratung der Eltern ist oftmals Inhalt der Therapie.

Ein weiteres wichtiges Ziel der Lerntherapie ist die Sicherstellung der sozialen Integration in der Schule. Um diese zu gewährleisten, kann Lerntherapie gemäß § 35a SGB VIII als Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder gelten. Dies ist notwendig, wenn die Eltern die Lerntherapie nicht privat zahlen, sondern eine Kostenübernahme beantragen möchten. Laut einer Studie der Duden Institute für Lerntherapie werden im landesweiten Schnitt ca. 40 Prozent der Anträge für Lerntherapie bewilligt. Dass so wenige Anträge bewilligt werden, liegt laut der Ergebnisse u. a. daran, dass die Antragssteller über die Lerntherapie schlecht informiert sind und das Antragsverfahren unklar ist.

Kostenübernahme: Wer hat Anspruch?

Wenn ein Kind eine diagnostizierte Teilleistungsstörung wie eine LRS oder eine Rechenstörung hat und seine seelische Gesundheit dadurch bedroht ist, können die Kosten für eine Lerntherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Jugendamt übernommen werden.

Nach § 35a SGB VIII haben Kinder Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Schritte zur Kostenübernahme: Wie geht es weiter?

Der erste Schritt, der für die Beantragung einer Kostenübernahme durch das Jugendamt erfolgen muss, ist eine Diagnostik durch einen unabhängigen Arzt oder Gutachter. Nach erfolgter Diagnostik wird zunächst ein Gutachten von einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, von einem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder von einem Arzt oder einem psychologischen Psychotherapeuten erstellt, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt. Diese Stellungnahme soll auf der ICD-10 basieren. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht.

Im nächsten Schritt bescheinigt die Schule, dass bei dem Kind eine Problematik vorliegt, die nicht alleine durch schulische Hilfe zu lösen ist. Die Bescheinigung der Schule und das Gutachten sowie ein formloser Antrag der Eltern werden dann beim örtlichen Jugendamt eingereicht. Dieses prüft, ob eine Kostenübernahme für Lerntherapie bewilligt wird. Eine nachträgliche Kostenübernahme wird meist nicht gewährt. Im Falle einer Bewilligung können sich die Familien an Lerntherapeuten wenden. Auf der Website des Fachverbandes für integrative Lerntherapie e. V. (FIL) wird eine ausführliche Datenbank von Lerntherapeuten geführt.

Weiterbildung oder Studium: Wie wird man Lerntherapeut?

Das Berufsfeld Lerntherapie hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt: Mittlerweile gibt es hierzu etliche Weiterbildungsanbieter. Allerdings fehlen staatliche Vorgaben für die Inhalte und die Dauer dieser Zusatzqualifikation. Deshalb können die Anbieter sowohl eigene Curricula entwickeln als auch den Umfang, die Lehrmethoden und die Form des Abschlussverfahrens festlegen. Enthalten sein sollten in jedem Fall die Kernthemen LRS, Rechenschwäche und ADHS. Gleiches gilt für Bereiche wie Bewegung, Wahrnehmung, Lernspiele, Entspannung, Prüfungsangst und Hochbegabung.

Wer sichergehen will, eine hochwertige Weiterbildung zu erhalten, sollte sich vorher über die entsprechenden Anbieter informieren. Hier kann der detaillierte Überblick über Weiterbildungen sowie Studiengänge auf der Website des FIL helfen. Nach vielen dieser Qualifizierungsmaßnahmen besteht die Möglichkeit das Zertifikat „Integrative/r Lerntherapeut/in FIL“ zu erlangen. Ein solches Zertifikat setzt mindestens 1400 Unterrichtseinheiten in Theorie und Praxis voraus. Das Zertifikat dient der Qualitätssicherung der Weiterbildung und ist bei Ämtern und Eltern gleichermaßen anerkannt. Nähere Informationen zu Fort- und Weiterbildungen und zur Zertifizierung erhalten Interessenten per E-Mail unter info@lernfil.de.

Quellen: www.lerntherapie-fil.de; www.lernförderung.de; F. Bender et al. (2017) Lernen und Lernstörungen, Ausgabe 6/2017; L. Huck & G.-D. Schmidt (2017) Duden-Lerntherapie-Studie

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