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„Bei der Teilakademisierung sehe ich wirklich Gefahrenpotenzial“

Andreas Pust, Schulleiter und Vorsitzender des VLL e. V., bewertet den Ergebnisbericht zur Modellklausel
Im Oktober ist der zweite Bericht über die Ergebnisse der Modellvorhaben zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie veröffentlicht worden (wir berichteten). Ralf Buchner hat Andreas Pust, Schulleiter der staatlich anerkannten Schule für Physiotherapie Duisburg und Vorsitzender des Verbands leitender Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie e. V. (VLL), um seine Einschätzung zu dem Bericht gebeten.
© iStock: triloks

Herr Pust, ich dachte, mit dem Bericht haben wir endlich den Durchbruch. Ehrlich gesagt war ich dann aber doch etwas enttäuscht. Wie war das bei Ihnen?

PUST: Positiv ist, dass konstatiert wird, dass eine Akademisierung sinnvoll, machbar und zeitgemäß ist. Doch liest man weiter, dann wird leider wieder zwischen Logo, Ergo und Physio unterschieden. Die Logopädie bekommt einen großen Rückhalt zur Vollakademisierung, bei der Ergotherapie kann sich das Bundesministerium diese durchaus vorstellen. Und dann kommt die Physiotherapie, bei der eher der Teilakademisierung das Wort geredet wird. In dem Bericht steht zudem, dass er sich an das Strukturpapier von Spahn für die Weiterentwicklung anlehnt, welches er im letzten Jahr herausgebracht hat. Die Einstellung von Herrn Spahn, ‚Mit mir wird es keine Vollakademisierung geben‘, ist unseres Erachtens in dem Bericht deutlich erkennbar.

In der Zusammenfassung des Berichts steht: „Eine eindeutige Einschätzung zur Bewährung aus Sicht der Fachschulen bzw. des fachschulischen Lehrpersonals liegt nicht vor.“ Warum haben Sie nichts dazu gesagt?

PUST: Da muss ich laut lachen, weil unsere Einschätzungen dem Bundesministerium seit Jahren vorliegen und die Positionen aus den Berufsfachschulverbänden eindeutig sind. Alle drei, also Ergo, Logo und Physio, setzen sich seit Jahren für die Akademisierung ein. Ich will nicht verheimlichen, dass es auch Kollegen und Schulvertreter gibt, die vehement für die Teilakademisierung einstehen. Unser erklärtes Ziel ist aber die Vollakademisierung.

Ärzte haben kürzlich auf dem Ärztetag kundgetan, dass sie sich durchaus vorstellen können, dass Physios, Ergos und Logos einen Direktzugang erhalten. Was sagen Sie dazu?

PUST: Mit dem Direktzugang haben wir überhaupt keine Probleme. Da sind wir dann aber mitten drin in den Diskussionen zur Voll- oder Teilakademisierung. Wenn die Ärzteschaft sich den Direktzugang vorstellen kann, dann muss ein Kompetenz- und Verantwortungsprofil entwickelt und gelehrt werden, was dem entspricht. Da sehe ich schlicht und ergreifend nur eine akademische Ausbildung am Horizont, die das gewährleistet. Bei der Teilakademisierung sehe ich wirklich Gefahrenpotenzial. Wenn ein Direktzugang den hochschulischen Absolventen zugesprochen wird, führt dies zu einer Spaltung unseres Berufsbildes.

Vielen Dank, Herr Pust, für das Gespräch!

[Das Gespräch mit Andreas Pust führte Ralf Buchner]

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