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„Wir versuchen, Therapeuten niederschwellige Alternativen zur TI anzubieten.“

Interview mit Dr. Ulf Maywald, Leiter des Geschäftsbereichs Arznei- und Heilmittel bei der AOK PLUS
Dr. Ulf Maywald kümmert sich zusammen mit ungefähr 160 Mitarbeitern bei der AOK PLUS um die Versorgung der Versicherten mit Arznei- und Heilmitteln. Wir wollten von ihm wissen, wie er zu dem Thema Apps auf Rezept steht und was er davon hält, dass Heilmittelleistungserbringer im Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) bis dato fast nicht berücksichtigt werden.
© FOTO-STUDIO Schmutzler

Sind Sie als AOK PLUS-Verantwortlicher mit dem DVG glücklich?

MAYWALD: Ich finde, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber der gesamte Weg, den wir brauchen, ist noch nicht gegangen. Natürlich hat der Gesetzgeber recht, wenn er sagt, dass die Digitalisierung auch im Behandlungsalltag ankommen muss. Insbesondere die Kostenübernahme von Apps ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es fehlt noch die Möglichkeit für die Krankenkassen, Verträge rund um Apps mit denen zu machen, die sie anwenden sollen, also etwa Heilmittelleistungserbringer. Dafür hat das DVG leider keine gesetzliche Grundlage geschaffen.

Sie sehen aber schon, dass die Apps auch von Therapeuten kommen können?

MAYWALD: Veranlassen können die Verschreibung erstmal nur die Ärzte. Je nach Anwendungsfall spielen Therapeuten aber durchaus eine Rolle – auch heute schon. Ärzte können beispielsweise für Kinder mit Dyslalie die Logopädie-App Neolino verordnen, die die Therapie ergänzt. Kinder bekommen ein Tablet mit nach Hause, mit auf sie parametrierten Übungen. Die Hoffnung ist, dass sich durch die Eigenübungen zwischen den Logopädie-Sitzungen schneller der Therapieerfolg einstellt. Der Arzt kann die Apps genauso verordnen wie die Logopädie. Ich habe mit dem DVG als Krankenkasse aber keine Rechtsgrundlage an die Hand bekommen, um mit den Logopäden direkt einen Vergütungsvertrag zu machen. Im Gegenteil: Sieht der Logopäde, dass die App funktioniert, bleiben Folgeverordnung aus. Nutzt er die App, verdient er weniger. Da muss der Gesetzgeber nachbessern.

Laut DVG können sich Physiotherapeuten ab Juli 2021 freiwillig an die TI anbinden lassen, für andere Heilmittelerbringer ist das bisher nicht vorgesehen. Sehen Sie darin ein Problem?

MAYWALD: Aus unserer Sicht ist das kein Problem. Die TI ist gut und richtig für medizinische Datenspeicherung, insbesondere die elektronische Patientenakte, in die Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken zunächst involviert sein sollen. Für viele andere Dinge, wie Entbürokratisierung, Digitalisierung von Formularen und Kommunikation zwischen den Leistungserbringern, braucht man nicht zwingend die Anbindung an die TI, die ja doch recht hohe Hürden in der Anschaffung hat. Daher bieten wir den Therapeuten bereits digitale Anwendungsfälle so niederschwellig wie möglich an.

Sprechen Sie von dem Modellvorhaben der AOK PLUS?

MAYWALD: Genau. Wir bieten Heilmittelleistungserbringern eine sichere Kommunikationsmöglichkeit mit den Ärzten, auch ohne Anbindung an die TI. Sie können den Therapiebericht elektronisch über die Praxissoftware oder über ein eigenes Webprotal der AOK PLUS versenden. Der Arzt bekommt ihn dann als eArztbrief zugestellt und kann ihn auch direkt in seiner Arztsoftwarte zum Bestandteil seiner Krankenakte machen. Das gleiche gilt für eVerordnung.

Die Pilotphase ist noch für dieses Jahr geplant. Nächstes Jahr möchten wir das Modell skalieren und in den Betrieb überbringen, zunächst in Sachsen und Thüringen. Um den Therapeuten einen Anreiz für die Nutzung des eBerichts zu schaffen, ist es durchaus denkbar, diesen höher zu vergüten als das Pendant in Papier. Auch an der eVerordnung arbeiten wir mit dem Ziel, 2020 zu starten.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Maywald.

Das Interview führte Ralf Buchner.

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