up|unternehmen praxis

Finanzgericht Düsseldorf schafft ein wenig Freiraum für Selbstzahlerleistungen

Therapie ohne ärztliche Verordnung bleibt weiterhin ein Umsatzsteuerrisiko
Ob Leistungen einer Physiotherapiepraxis von der Umsatzsteuer befreit sind, hängt weiterhin maßgeblich vom Vorliegen einer ärztlichen Verordnung ab. Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem aktuellen Urteil den Rahmen für die umsatzsteuerliche Behandlung von Anschlussbehandlungen teils erweitert, teils eingeschränkt. Das umsatzsteuerliche Risiko bleibt also bestehen.
© iStock: DNY59

Die Finanzbehörden vertreten seit Jahren die Auffassung, dass alle physiotherapeutischen Leistungen, die nicht ausdrücklich durch einen Arzt verordnet wurden, umsatzsteuerpflichtig sind. Nach Ansicht der Finanzbehörden galt das bisher auch dann, wenn es sich um eine Anschlussbehandlung an eine ärztlich verordnete Therapie handelte oder der Patient eine zusätzliche, ergänzende Leistung zur ärztlichen Verordnung auf eigene Rechnung erwarb.

Selbstzahlerleistungen sind nur von Umsatzsteuer befreit, wenn…

Das Finanzgericht Düsseldorf hat jetzt in einem Urteil entschieden, dass auch die Erlöse von Selbstzahlern von der Umsatzsteuer befreit sein können (FG Düsseldorf, Urteil v. 16.4.2021 – 1 K 2249/17 U). Selbstzahlerleistungen sind als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umsatzsteuerfrei, die zwei Bedingungen erfüllen sind: Sie wurden im Anschluss an eine ärztlich verordnete Physiotherapieleistung erbracht und es wurde spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung derartiger Leistungen vorgelegt.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Voraussetzung für eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung, dass Krankheitsbild und Grundbeschwerden regelmäßig von fachlich qualifiziertem Personal, also von dem behandelnden Arzt oder einem Heilpraktiker, festgestellt werden. Eine fachliche Einschätzung des Leistungserbringers (hier Physiotherapeuten) oder die des Patienten reicht dem Gericht nicht. Damit bleibt die Therapie ohne ärztliche Verordnung ein Umsatzsteuerrisiko.

Zu Abhilfe gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Umsatzsteuer immer anwenden: Am einfachsten wäre es, Patienten alle Behandlungen ohne ärztliche Verordnung zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Die Nachteile dieser Methode liegen auf der Hand: Der Preis für die Therapie steigt und die Diskussionen mit den Patienten nehmen möglicherweise zu. Zusätzlich hat das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil festgestellt, das die bislang akzeptierte Praxis, auf Heilmittel der Physiotherapie nur den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent anzuwenden, falsch ist. Ohne ärztliche Verordnung gilt demnach generell der volle Umsatzsteuersatz von 19 Prozent.
  • Kleinunternehmer-Regelung: Auf eine Berechnung der Umsatzsteuer verzichtet werden kann auch dann, wenn die sogenannte Kleinunternehmer-Regelung greift, also der umsatzsteuerpflichtige Umsatz höchstens 22.000 Euro im Jahr beträgt.
  • Privatverordnung: Wenn ein Arzt keine Heilmittelverordnung zu Lasten der GKV ausstellen will, sollte der Patient um eine Privatverordnung, auch z. B. auf einem sogenannten Grünen Rezept, bitten. Legt der Patient eine solche Privatverordnung vor, ist die Therapie eine Heilbehandlung und damit umsatzsteuerfrei. Dieses Vorgehen funktioniert auch beim Verkauf von Zusatzleistungen, wie z. B. Kinesiotape oder Fango als Ergänzung einer GKV-Heilmittelverordnung.
  • (Sektoraler) Heilpraktiker: Der (sektorale) Heilpraktiker ist ebenfalls ein sehr effektiver Schutz vor Umsatzsteuerforderungen, wenn die Heilbehandlung entsprechend dokumentiert ist.

Es bleiben offene Fragen

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zugelassen. Denn weder die Frage, wie man ohne ärztliche Verordnung den Nachweis für den erforderlichen therapeutischen Zweck einer Leistung erbringt, noch die Frage, ob die im Heilmittelkatalog gelisteten Heilmittel der ermäßigten Umsatzsteuer unterliegen könnten, wurden bislang abschließend höchstrichterlich geklärt.

Außerdem interessant:

Betriebsprüfung durch das Finanzamt und die Rentenversicherung

Checkliste: 6 Tipps für eine reibungslose Betriebsprüfung

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all Kommentare
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x