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Wer bin ich und worum geht‘s?

Nach der Heilpraktiker-Erlaubnis:

Wer bin ich und worum geht‘s?

Durch die Prüfung gequält – extra den Hauptwohnsitz verlegt, um die Prüfung zu vermeiden – einen Kurs besucht – sich durch ein Fernstudium gearbeitet… Der Aufwand, den manche Therapeuten treiben, um eine (sektorale) Heilpraktiker-Erlaubnis zu erhalten, ist groß. Stellt sich die Frage, warum so viele Physiotherapeuten und andere Heilmittelerbringer sich dieser Prozedur unterziehen wollen. Was kann man damit erreichen? Der Versuch einer Antwort.

Fotocredit: Fotolia, stillkost

Ulrich Mahnken, Inhaber einer PT-Praxis in Bayern, schwenkt ein Blatt Papier über dem Kopf: „Endlich hab‘ ich es schwarz auf weiß – ich bin Heilpraktiker!“ – Mahnken freut sich sichtlich über die Mitteilung des Landratsamtes, und noch während man gemeinsam auf den Erfolg des Chefs anstößt, fragt die Rezeptionsfachkraft: „Und, Chef, jetzt hängen wir doch ein großes Schild an die Praxistür, oder?“

Gute Idee, denkt sich Mahnken. Irgendwie muss das mit dem Schild jetzt sein, denn erstens ist ab sofort Schluss mit der blöden Abhängigkeit von den ärztlichen Verordnungen und zweitens geht mir dieser ganz GKV-Abrechnungs-Hick-Hack auf die Nerven. Mit der Heilpraktiker-Erlaubnis fühlt sich Mahnken endlich frei und unabhängig. Und damit er seinen Leuten besser erklären kann, was das mit der (sektoralen) HP-Erlaubnis eigentlich soll, wird es Zeit, selbst mal darüber nachzudenken.

Im Prinzip kann Mahnken jetzt seine eigene Heilpraktiker-Praxis aufmachen – ganz egal ob nun als Vollheilpraktiker oder auf das Gebiet der Physiotherapie beschränkt. Da können sich die Patienten aussuchen, von wem sie lieber behandelt werden wollen, von den Ärzten oder nicht doch besser vom Heilpraktiker!?

Mahnken merkt, dass er den letzten Satz so nicht stehen lassen mag. Eigentlich sollen die Patienten doch zu ihm kommen, damit er Physiotherapie machen kann und nicht weil er Heilpraktiker ist. Das ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, denkt sich Mahnken: Wer bin ich und wie will ich von meinen Patienten wahrgenommen werden?

Und dann stellt sich auch sofort die Frage, wie die Heilmittel verordnenden Ärzte denn die neue Heilpraktiker-Praxis sehen werden: als Konkurrenz oder als gute Ergänzung des Angebots? Oder läuft Mahnken mit seiner neuen Heilpraktiker-Praxis womöglich Gefahr, als Exot abgestempelt zu werden – mit negativen Auswirkungen auf seine bestehende Therapie-Praxis? Immerhin arbeiten fünf Vollkräfte für ihn in seiner Physiotherapiepraxis, überwiegend im Bereich der GKV-Leistungserbringung, und Mahnken kann ganz gut von diesen Heilmittel-Verordnungen leben. Auf diesen Umsatz will er auf keinen Fall verzichten. Doch dafür braucht Mahnkens Praxis eben weiterhin die Heilmittel-Verordnungen von den Ärzten.

Ich sollte mit meinen Ärzten mal klären, wie die das sehen mit dem Heilpraktiker-Schild an der Praxistür, überlegt Mahnken. Eine Heilpraktiker-Erlaubnis allein bedeutet eben noch lange keine Unabhängigkeit von Ärzten und GKV. Was mir fehlt, ist ein Konzept, eine Art Geschäftsmodell für meine Arbeit. Eigentlich brauche ich eine Antwort auf die Frage: Welchen Kunden will ich welche Leistungen zu welchem Preis anbieten? Und wen benötige ich dazu als Partner?

Alte Patienten behalten

Seine jetzigen Patienten findet Mahnken gut und will sie auch behalten. Diese Kunden sind zu ihm gekommen, weil er richtig gute Physiotherapie macht, und dafür ist er in der Region bekannt. Was ändert sich für die Patienten durch die Heilpraktiker-Erlaubnis? – Nicht wirklich viel, stellt Mahnken fest. Klar, wenn ein Patient direkt und ohne ärztliche Verordnung behandelt werden will, ist das jetzt kein Problem mehr: Vertrag mit dem Patienten abschließen, behandeln, abrechnen und fertig. Es wird sich schnell herumsprechen, dass man hier auch ohne ärztliche Verordnung großartige Physiotherapie bekommt, ist sich Mahnken sicher.

Aber die Anzahl der Kassen-Patienten, die diese Möglichkeit nutzen, dürfte überschaubar bleiben. Solange es mit einer ärztlichen Verordnung die Therapie quasi kostenlos von der GKV gibt… Nur wegen der Heilpraktiker-Erlaubnis werden Patienten nicht plötzlich bereit sein, selbst zu zahlen. Aber die Privatpatienten könnten sich den Weg zum Arzt sparen und eine Heilpraktiker-Verordnung ausstellen lassen. Dann hängt die Erstattung der Heilmittel-Kosten vom jeweiligen Versicherungstarif ab.

Vielleicht könnte man mit dem Heilpraktiker-Schild an der Tür zusätzliche Patienten akquirieren, überlegt sich Mahnken. Wer würde dann zusätzlich kommen und wieviel Leistungen abnehmen? Und sind das dann die Patienten, die wir zufriedenstellen wollen und können? Und was erwarten Patienten bei einem Heilpraktiker? Naturheilkunde und Kügelchen?

HP ist kein neuer Beruf

Nein, beschließt Mahnken, mit der Heilpraktiker-Erlaubnis habe ich keinen neuen Beruf erlernt und ich will auch in Zukunft nicht ganz andere Leistungen erbringen als bisher. Ich bin Physiotherapeut und zwar ein ziemlich guter. Und das will ich auch bleiben!

Dass Ärzte auch nach der Heilpraktiker-Erlaubnis wichtige Partner bleiben, ist Mahnken inzwischen klar geworden, jedenfalls so lange wie er weiterhin GKV-Heilmittel-Verordnungen über seine Praxis abrechnen will. Und auch bei Privatpatienten haben Ärzte aufgrund ihrer Berufsordnung Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Heilpraktikern (siehe Seite xx). Gute Gründe also, sich genau zu überlegen, ob man das Heilpraktiker-Schild an die Praxistür schraubt. Mahnken zieht eine Zwischenbilanz: Wieviel verdiene ich mit GKV-Patienten und wieviel kann ich mit Heilpraktiker-Patienten verdienen? Solange ich mir nicht sicher bin, dass die Heilpraktiker-Praxis für die GKV-Praxis unschädlich ist, oder ich mit der Heilpraktiker-Praxis allein deutlich mehr Geld verdiene als mit der GKV-Praxis, solange ist das mit dem Schild an der Tür vielleicht doch keine so gute Idee!

Außerdem könnte so ein Schild an der Tür unter Umständen die örtlichen Krankenkassen auf den Plan rufen. Dann müsste Mahnken erläutern, wie denn die GKV-Praxis sauber von der HP-Praxis getrennt ist. Noch mehr Aufwand, den Mahnken überhaupt nicht haben will. Stellt sich für Mahnken also die Frage, welche Vorteile die HP-Erlaubnis denn eigentlich für ihn hat, wenn er eben kein HP-Schild an die Tür schrauben will.

HP-Erlaubnis hilft bei der Kostenerstattung

Privatpatienten, die über einen entsprechenden Versicherungs-Tarif verfügen, können sich vom Heilpraktiker Mahnken die notwendigen Heilmittel verordnen lassen und bekommen dann die Kosten für diese Heilmittel erstattet, die von Mahnkens Therapie-Praxis erbracht werden.

Wenn der Heilpraktiker Mahnken physiotherapeutische Leistungen erbringt und einigermaßen geschickt nach der GebüH abrechnet, werden viele Privatpatienten diese Rechnung ebenfalls von der PKV erstattet bekommen.

Und seine Kassenpatienten können von ihm ohne Verstoß gegen irgendwelche Gesetze auf eigene Rechnung weiterbehandelt werden. Denn diese Leistungen sind durch die HP-Erlaubnis weiterhin Heilbehandlungen und unterliegen damit nicht der Umsatzsteuerpflicht.

Prima, denkt sich Mahnken und rechnet aus, was er durch den Verzicht auf das Heilpraktiker-Schild gespart hat. Jetzt muss er nur noch seiner Rezeptionsfachkraft erklären, dass es beim Thema HP-Erlaubnis gar nicht um den Heilpraktiker geht, sondern darum, die Physiotherapie einfacher anbieten zu können.

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