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Mukoviszidose: 100 Kilometer zum nächsten Therapeuten

Atemphysiotherapie dringend benötigt, aber oft nicht rentabel
An einem Tag fährt Stefanie Rosenberger gut und gerne mehrere hundert Kilometer mit dem Auto. Als Außendienstmitarbeiterin wäre das völlig normal, als Physiotherapeutin eher nicht. Und dennoch nimmt sie die Strecken auf sich, denn sie weiß: Macht sie es nicht, tut es im näheren Umkreis keiner. In ganz Deutschland mangelt es an Therapeuten, die sich auf die Therapie von Mukoviszidose spezialisiert haben. Eine Lage, die sich zuspitzt, weiß auch die Physiotherapeutin Daniela Hoppe. Das Problem: Die Therapie von Mukoviszidose-Patienten ist für Praxisinhaber aufgrund hoher Zusatzkosten oft nicht rentabel.
© iStock: vectorplusb

Finden Patienten mit Mukoviszidose einen Physiotherapeuten, der sich auf die Erkrankung spezialisiert hat, hüten sie ihn wie einen Schatz. Selbst Wege von bis zu 100 Kilometern nehmen sie auf sich, um eine qualifizierte Atemphysiotherapie zu bekommen, weiß die Physiotherapeutin Daniela Hoppe. Sie ist in einer Praxis angestellt und betreut ausschließlich Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und Mukoviszidose. „Durch regelmäßige Atemphysiotherapie schulen wir die Patienten unter anderem in Techniken zur täglichen Reinigung der Atemwege. Dadurch reduziert sich das Risiko für Entzündungen und der Gesundheitszustand stabilisiert sich. Denn Mukoviszidose ist nicht heilbar.“

Lange Wege, kein finanzieller Ausgleich

Auch Stefanie Rosenberger betreut Mukoviszidose-Patienten. Doch nicht ihre Patienten fahren lange Strecken, sondern sie. Sie führt ausschließlich Hausbesuche durch. „Manchmal erlaubt eine Keimsituation eine Behandlung in der Praxis nicht, manchmal ist ein schlechter gesundheitlicher Zustand der Grund“, so die Therapeutin. Doch Patienten zuhause zu betreuen, kostet Geld. „Für einen ärztlich verordneten Hausbesuch bekomme ich seit dem 01.07.2019 16,22 Euro. Was nicht vergütet wird, ist die Fahrzeit – und die ist auf Grund der oft langen Wege meist länger als die eigentliche Behandlungszeit. Hausbesuche sind also ein Minusgeschäft.“

Kein finanzieller Mehrwert für Praxisinhaber

Nur in Bayern ist die Atemtherapie bei Mukoviszidose eine Zertifikatsposition im Heilmittelkatalog. In jedem anderen Bundesland darf jeder mit einer abgeschlossenen Physiotherapieausbildung die speziellen Therapien durchführen und abrechnen. Doch selbst diese Tatsache ändert nichts an dem zunehmenden Versorgungsengpass. „Die Betreuung der Patienten ist langfristig, große Erfolgserlebnisse bleiben bei einer solch chronisch progredienten Erkrankung aus und auch der Umgang mit den Sekreten ist nicht für jeden etwas – Aspekte, die den Bereich unter Therapeuten nicht gerade attraktiver machen“, weiß Frau Hoppe. Und auch wenn Weiterbildungen keine Voraussetzung für die Abrechnung sind, so sehen die beiden Physiotherapeutinnen diese als enorm wichtig an, um mit der komplexen Therapie Patienten adäquat betreuen zu können. Insbesondere mangelndes Wissen zu hygienischen Besonderheiten kann zur Gefahr für die Patienten werden.

Doch die Weiterbildungen sind kostspielig: Der Grundkurs kostet bereits um die 700 Euro. Hinzu kommen weitere Aufbaukurse. „Bei vielleicht nur ein bis zwei Mukoviszidose-Patienten rentiert es sich für Praxisinhaber nicht, die Kosten dafür zu übernehmen“, bedauert Frau Rosenberger. Und: Auch die Ausgaben für die Einhaltung der erhöhten Hygienestandards müssen die Praxen selbst aufbringen, die Krankenkasse übernehmen diese nicht.

Mehr Attraktivität gleich steigendes Angebot

Der Mukoviszidose e. V. setzt sich seit Jahren für eine deutschlandweit flächendeckende therapeutische Versorgung ein – mit ersten Erfolgen (siehe Artikel „Die Weichen für eine bessere Versorgung von Mukoviszidose-Patienten sind gestellt.“). „Dass sich langsam etwas tut, ist super. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Kartenhaus, das aus engagierten Therapeuten und Praxisinhabern besteht, zusammenbricht“, so Frau Rosenberger. Viele spezialisierte Fachkräfte scheiden nach und nach aus dem Berufsleben aus, zu wenig junge rücken nach – und das bei gleichzeitig steigender Anzahl an Mukoviszidose-Patienten.

„Die Politik ist gefragt, wenn es darum geht, den Versorgungsengpässen entgegenzuwirken“, findet Frau Hoppe. „Die Praxisinhaber müssen finanzielle Anreize haben, die die Einstellung qualifizierter Therapeuten oder die Weiterbildung lohnenswert machen. Die Abrechnungsposition muss verbessert, Fort- und Weiterbildungen müssen gefördert und die Kostenträger in puncto Hygienemehrkostenaufwand in die Verantwortung gezogen werden.“

Außerdem interessant:

„Die Weichen für eine bessere Versorgung von Mukoviszidose-Patienten sind gestellt.“ – Interview mit Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e.V.

Petitionsausschuss unterstützt Mukoviszidose-Patienten

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