up|unternehmen praxis

Kein Ende der Diskussion um „Freie Mitarbeiter“ in Heilmittelpraxen

Landessozialgericht Bayern beendet Diskussion

Kein Ende der Diskussion um "Freie Mitarbeiter" in Heilmittelpraxen

Der Sozialversicherungsstatus der sogenannten „Freien Mitarbeiter“ in Heilmittel-Praxen ist schon länger höchst umstritten. Das Landessozialgericht Bayern hat jetzt in einer Entscheidung klargestellt, dass es in einer Physiotherapiepraxis, die zur Behandlung von Kassenpatienten zugelassen ist, keine freien Mitarbeiter geben kann. Die Entscheidung ist rechtskräftig und so auch auf Ergotherapie- und Logopädiepraxen zu übertragen.

Fotocredit: Fotolia, moodboard

Die Frage, ob jemand selbstständig tätig ist oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, ist besonders für die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen bedeutsam. Für abhängig Beschäftigte, also Angestellte, müssen unter anderem Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bezahlt werden. Deswegen versuchen viele Praxisinhaber, freie Mitarbeiterverträge mit Selbstständigen zu schließen, um solche Kosten zu vermeiden.

Der Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren des Landessozialgerichts Bayern (L 5 R 1180/13 B ER) zeigt jetzt erneut, dass solche Vermeidungs-Strategien nicht immer funktionieren, und dass sie deshalb mit so großen wirtschaftlichen Risiken behaftet sind, dass es zukünftig fast keinen Raum mehr für freie Mitarbeiter in Heilmittelpraxen geben wird.

Selbstständig ist, wer keinem Weisungsrecht unterliegt

Für die Beurteilung, ob eine abhängige oder unabhängige Tätigkeit eines Mitarbeiters vorliegt, ist nach Ansicht der Richter nicht die vertragliche Bezeichnung ausschlaggebend, sondern die praktische Durchführung der Tätigkeit. Das Gericht führt zur Unterscheidung aus: „Ein Beschäftigungsverhältnis ist geprägt dadurch, dass der Tätige in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeiten umfassendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Selbstständige Tätigkeiten sind dagegen anzunehmen, wenn sie durch ein Unternehmerrisiko und spiegelbildlich dazu durch eine eigene Unternehmenschance geprägt sind sowie durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, durch die Verfügungsmöglichkeit über eigene Arbeitskraft und durch eine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitszeit.“

Praxisinhaber sind letzte Verantwortliche

Physiotherapeuten, die in einer fremden, als Leistungserbringer nach dem SGB V zugelassenen Praxis tätig sind, stehen typischerweise in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, meint das Gericht und erläutert das so: „…Die Praxisinhaber [treten] gegenüber den Patienten als Heilmittelerbringende der jeweiligen Krankenkasse auf. Sie – die Inhaber – rechnen die erbrachten Heilmittel […] gegenüber der jeweiligen Gesetzlichen Krankenkasse ab und treten nach außen als verantwortliche Praxisbetreiber auf. Die Inhaber selbst tragen das Risiko des wirtschaftlichen Praxisbetriebs, der sich an der zwischen ihnen und den Krankenkassen geltenden Vertrags- und Vergütungsregeln orientiert […] Die somit zwingenden Regelungen zur Zulassung als Leistungserbringer verlangen namentlich die erforderliche Qualifikation, die nötige Erlaubnis sowie die Ausstattung für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Einzelheiten dazu regeln die Rahmenempfehlungen und Verträge nach § 125 SGB V. Per legem sind damit [den Praxisinhabern] Verantwortung und Letztentscheidung zugewiesen für alle physiotherapeutischen Leistungen, die in ihrer Praxis erbracht werden, einschließlich der relevanten Nebenpflichten.“

Eigene Berufshaftpflicht zählt nicht

Das Landessozialgericht würdigt zwar auch Umstände, die für eine echte freie Mitarbeit sprechen, kommt jedoch zu keinem anderen Ergebnis: „Ohne Belang ist in Bezug auf das konkrete Tätigkeitsverhältnis, dass [die freien Mitarbeiter] auch für andere Auftraggeber Physiotherapieleistungen erbracht haben. Zu beurteilen ist hier nämlich die konkrete Tätigkeit […]. Dass diese nicht geringfügig war, beweisen die Umfänge der Entgeltzahlungen.“

Auch bei der Prüfung weiterer Argumente, die für eine Selbstständigkeit der Mitarbeiter sprechen, stellt das Gericht fest, dass diesen Kriterien nicht das entscheidende Gewicht zukommt. Zu diesen Argumenten zählt unter anderem die Freiheit der Mitarbeiter, Patienten selbst auswählen zu können. Aber auch die Tatsache, dass die Mitarbeiter auch eigene Patienten behandelten, dass eine eigene Berufshaftpflicht vorhanden war, das Fehlen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die prozentuale Entlohnung sind entscheidend.

Weder die Tatsache, dass die Mitarbeiter von der Bundesagentur für Arbeit einen Gründungszuschuss erhalten hatten, noch die Feststellung der Renten-Versicherungspflicht als Selbstständige änderten an der Bewertung des Gerichts etwas.

Service: Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts können up|plus Kunden in der Wissensdatenbank unter www.praxisfragen.de herunterladen oder bei der up|plus Hotline anfordern.

Redaktioneller Hinweis: Aufgrund zahlreicher Hinweise von Lesern, haben wir die Überschrift dieses Artikels um ein Fragezeichen ergänzt. Offensichtlich hat der ursprünglich Titel viele Leser in die Irre geführt.

Themen, die zu diesem Artikel passen:
24 Kommentare
neueste
älteste meiste Bewertungen
Inline Feedbacks
View all Kommentare
Dorothea Pfeiffer-Will
02.03.2015 8:51

Wie sind folgende Bedingungen einzuschätzen: Eine freie Mitarbeiterin behandelt in… Weiterlesen »

Gordon Schönwälder
23.03.2014 10:41

Hallo. Was ist denn, wenn ein Therapeut eben diese fehlende… Weiterlesen »

S.L
22.03.2014 10:55

In meiner Praxis arbeiten auch freie Mitarbeiter/innen. Diese führen ausschließlich… Weiterlesen »

W. Kaiser
17.03.2014 10:29

Hallo. Was heißt dieses Urteil jetzt konkret für bestehende Verträge… Weiterlesen »

A.E.
16.03.2014 21:30

Und was ist eigentlich, wenn man eine Statusfeststellung hat machen… Weiterlesen »

erik kalden
16.03.2014 19:44

hallo herr bucher wie sieht die sachlage bei einer praxis,die… Weiterlesen »

M.B.
16.03.2014 14:31

Eigentlich ist diese ganze Angelegenheit mit freien Mitarbeitern schon längst… Weiterlesen »

Stefan Konietzko
14.03.2014 19:45

Letztendlich bietet dieses „Urteil“ genug Hinweise was falsch gemacht und… Weiterlesen »

Saloia
14.03.2014 18:21

versteh ich nicht- ich habe als FM jahrelang selbst die(hohen)… Weiterlesen »

Slezak
14.03.2014 17:08

Hallo, was genau bedeutet das Urteil jetzt: Ist es nun… Weiterlesen »

Peter Plaschka
14.03.2014 16:42

Wenn ein Freiberufler seine Patienten selbst aquiriert, nur Hausbesuche mit… Weiterlesen »

Angela Küttner
14.03.2014 13:32

Sehr geehrter Herr Buchner, wie sieht denn jetzt konkret eine… Weiterlesen »

Christiane Möller
14.03.2014 10:33

und was heißt das, jetzt konkret? Müssen nun alle freien… Weiterlesen »

Stefan Konietzko
13.03.2014 21:36

Wieder ein Praxisinhaber, der sich mit der freien Mitarbeiterschaft nicht… Weiterlesen »

24
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x