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Stabile Mitte – Physiotherapeutin erfolgreich mit Privatpraxis für Beckenbodentherapie

„Du willst was? Das ist doch zum Scheitern verurteilt!“ So reagierten viele in Franziska Liesners Umfeld, als die Physiotherapeutin 1998 begann, sich auf die Beckenbodentherapie zu spezialisieren. Doch das Gegenteil trat ein. Vor zwei Jahren gründete sie dann sogar eine eigene Privatpraxis in Hamburg Eppendorf.  Ihr Konzept „Stabile Mitte“ ist deutschlandweit einzigartig – und der Erfolg spricht für sich.
© iStock: andipantz,Franziska Liesner

Erfolgsgeschichten beginnen oft mit einem Zufall. So auch die von Franziska Liesner. Während des praktischen Jahres in ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin musste sie in einer Klinik die Wochenbett- und Rückbildungsgymnastik übernehmen. Ihre Begeisterung für das Thema Beckenboden hielt sich in Grenzen, dennoch begann sie sich in das Thema einzuarbeiten. Nach der Ausbildung arbeitete sie dann in verschiedenen Praxen als Physiotherapeutin. Damals hatte niemand so richtig Ahnung von Beckenbodentherapie – außer Frau Liesner. So war sie es, die Patienten, zumeist Frauen mit Belastungsinkontinenz nach der Geburt, behandelte. Je mehr sie sich mit dem Thema beschäftigte, desto stärker merkte sie, wie wenig Ärzte und Therapeuten eigentlich über den Einfluss einer starken Beckenbodenmuskulatur auf verschiedenste Erkrankungen im Bauchraum wussten. Darin sah sie ihre Chance.

Der Weg zur eigenen Privatpraxis

Franziska Liesner belegte in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche Fortbildungen im Bereich Beckenbodentherapie. 2010 bildete sie sich zusätzlich zur staatlich anerkannten Heilpraktikerin aus. Lange Zeit arbeitete sie dann als freie Physiotherapeutin in einer Praxis in Hamburg, die primär GKV-Patienten behandelt. Bis zu elf Monate warteten Patienten damals darauf, einen Termin bei ihr zu bekommen.

Die Nachfrage war da. Doch das Therapieren im 20-Minuten-Takt war für sie zum Schluss so frustrierend, dass sie entschied, etwas zu ändern. Die Optionen: Entweder in die Wissenschaft gehen oder selbst eine Praxis eröffnen, in der sie die Patienten so behandelt, wie sie es für richtig empfindet. Das war der Startschuss für die eigene Privatpraxis, die sie 2016 gründete. In der „Stabile Mitte“ arbeiten mittlerweile sieben Therapeutinnen, alle mit Zusatzfortbildungen für die Beckenbodentherapie.

Kleiner Bereich mit großer Wirkung

Der Beckenboden besteht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe. „Rund 30 Prozent aller Menschen können den Beckenboden nicht anspannen, etwa 30 Prozent machen es falsch und nur ca. 30 Prozent machen es richtig“, so die Physiotherapeutin. Ein schwacher oder auch zu fester Beckenboden kann jedoch Auslöser für verschiedene Krankheitsbilder sein. Sie und ihre Kolleginnen behandeln Harn- und Stuhlinkontinenz, Beschwerden in der Schwangerschaft und nach der Geburt, Beckenschmerzen, Beschwerden nach gynäkologischen, urologischen und proktologischen Operationen, Enuresis (unwillkürliches Einnässen) bei Kindern und nehmen sich auch dem Thema Beschwerden in der Sexualität an ­­– sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Der Bereich Beckenboden und die damit verbundenen Beschwerden seien für viele ein sehr intimes Thema, so Liesner. Einfühlungsvermögen und Vertrauen sei extrem wichtig. Doch dafür brauche es besonders eines: Zeit. „Daher behandeln wir nur im 60 Minuten-Takt.“

Keine Therapie ohne Befund

Die deutlich längere Therapiedauer ist ein Baustein des Konzepts „Stabile Mitte“. Eine weitere Besonderheit ist, dass jeder Patient vor der Therapie intensiv untersucht wird. Die Therapeutinnen tasten den Beckenboden ab, finden Schwachstellen und bauen darauf die Behandlung auf. Auf diesen Einzeltherapien liegt der Fokus der Praxis. Aber auch Gruppenkurse zum Thema Beckenboden finden in den Räumlichkeiten statt. Dazu gehören Pilates, Rückbildungskurse, Yoga und Kompakt-Wochenendkurse, alle mit dem Schwerpunkt Beckenboden. Auch hier gilt: kein Kurs ohne Voruntersuchung. „Viele solcher Kurse finden anderswo meist ohne Voruntersuchungen statt“, so Liesner. „Ob er für die Beschwerden aber überhaupt geeignet ist, lässt sich dann gar nicht sagen.“

Onlinekurse: Keine Angst vor Patientenabwanderung

Die dritte Säule des Konzepts sind Online-Kurse. Diese sind laut Liesner sehr beliebt, sie erhalte viel positives Feedback. „Auch für die Kassenpatienten sind sie sehr interessant“, so die Heilpraktikerin. Die Patienten kommen vor Beginn und lassen sich als Selbstzahlerleistung untersuchen. Kommt ein Kurs für die Beschwerden in Frage, buchen sie ihn und turnen zu Hause selbstständig. Das sei kostengünstiger als die Einzeltherapien in der Praxis. Auf Wunsch erfolgt dann nach einigen Wochen ein weiterer Termin zur Kontrolle, wie gut die Übungen gefruchtet haben. „Viele Praxisinhaber haben bei Online-Kursen Angst, dass Patienten dann nicht mehr in die Praxis kommen“, weiß Liesner. „Aber sie kommen gerade, eben weil sie sehen, dass sich jemand auskennt.“ Und: Da sie flexibel zu Hause turnen können, machen sie es meist häufiger.

Wartezeiten trotz höherer Stundensätze

Die Praxis „Stabile Mitte“ hat keine Kassenzulassung, die Abrechnung erfolgt über die private Krankenversicherung oder als Selbstzahler mit Rezept. Auch über private Heilpraktikerversicherungen laufen einige Behandlungen. „Wir haben sehr gute Kooperationen mit Arztpraxen, Kliniken und Hebammen in Hamburg“, sagt die Physiotherapeutin. Beckenbodentherapie sei längst kein Tabu mehr. „Auch von Kollegen bekommen wir zunehmend Patienten geschickt.“ Angst vor Abwerbung sei dank der Spezialisierung kein Thema.

Mehr Mut, neue Wege zu gehen

„Aktuell habe ich Wartezeiten von etwa drei Monaten“, sagt Liesner. „Ich finde, das zeigt ganz deutlich, dass solche Konzepte sehr erfolgreich sein können.“ Ihrer Meinung nach sollten mehr Physiotherapeuten den Mut haben, sich stärker auf einen Bereich zu spezialisieren. „Bei Ärzten ist das ganz normal, bei Therapeuten hingegen immer noch total unüblich“, so die Heilpraktikerin. „In der Ausbildung lernt man alles. Das ist auch richtig, aber dann kann man ruhig auch den Mut haben und sagen: Ich kann das eine nicht so gut, dafür das andere besser und hier bilde ich mich intensiv fort.“

Nicht unter Wert verkaufen

„Therapeuten hetzen für die Kassenleistungen von einem Termin zum anderen und können oft nur schwer das umsetzen, was sie für die Patienten als notwendig empfinden“, so Liesner. „Wir alle sollten dafür kämpfen, mehr Behandlungszeit zu bekommen.“ Das erhöhe nicht nur den Therapieerfolg, sondern sorge auch für zufriedenere Therapeuten. Natürlich ist der Heilpraktikerin auch klar, dass nicht in allen Teilen Deutschlands das Konzept einer reinen Privatpraxis aufgehe.  Aber auch Praxen, die dort angesiedelt sind, wo die Infrastruktur nicht optimal ist, möchte sie mit ihrem Konzept inspirieren. „Gehen Sie auf die Ärzte zu und erarbeiten Sie sich eigene Konzepte.“

Zuletzt möchte Frau Liesner allen Praxen, ob privat oder kassenärztlich, noch einen Tipp an die Hand geben: „Machen Sie regelmäßige interne Fortbildungen und wöchentliche Teambesprechungen, bei denen sie besondere Krankheitsbilder besprechen.“ Das helfe sehr, neue Behandlungskonzepte zu entwickeln.


Steckbrief

Franziska Liesner ist 1966 in Bamberg geboren. Sie ist staatlich anerkannte Physiotherapeutin, Heilpraktikerin und ausgebildete Pilateslehrerin. Seit 20 Jahren liegt der berufliche Schwerpunkt der vierfachen Mutter auf der Behandlung von Patienten mit Erkrankungen des Beckenbodens. Sie hat ein Buch zum Thema Beckenboden herausgebracht, gibt Fortbildungen und ist unter anderem Leiterin des Hamburger Arbeitskreises der Arbeitsgemeinschaft GGUP (Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie, Proktologie).

Physiotherapie Praxis STABILE MITTE
Goernestraße 30
20249 Hamburg Eppendorf
Tel. 040 – 423 263 33
kontakt@physio-stabilemitte.de

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