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Wie gefährlich ist die Schweinegrippe wirklich?

Interview mit dem Pressesprecher des Robert Koch-Instituts Günther Dettweiler

Wie gefährlich ist die Schweinegrippe wirklich?

Jeden Tag liest man in der Presse neue Horrormeldungen über die Schweinegrippe. Auch Praxisinhaber fragen sich, ob die Pandemie für ihre Praxis gefährlich werden könnte. up wollte es genau wissen und hat beim Robert Koch-Institut nachgefragt. Pressesprecher Günther Dettweiler gab beruhigende Antworten.

Mit dem Ferienende wächst durch die Urlaubsheimkehrer die Bedrohung durch das Virus H1N1, das Schweinegrippen-Virus. Müssen Inhaber von Heilmittelpraxen (Ergo-, Physiotherapie- und Logopädiepraxen) Angst haben, dass ein Fall in ihrer Praxis auftaucht?

Mit dieser Möglichkeit muss man rechnen. In Deutschland gibt es derzeit über 13.000 bestätigte Fälle. Angst muss aber niemand haben, insbesondere da die Krankheitsverläufe bei der Neuen Grippe (Schweinegrippe) in Deutschland derzeit milde sind. Man sollte aber die Symptomatik der Erkrankung kennen und wissen wie man sich verhält, wenn Patienten mit Erkrankungssymptomen in die Praxis kommen.

„Angst muss niemand haben“

Wie hoch schätzen Sie das Risiko, dass es zu einer Schließung kommen könnte?

Es gab bisher in Deutschland nur in sehr wenigen Einzelfällen vorübergehende Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen. In der gegenwärtigen Situation gibt es keine Anzeichen, dass Schließungen von Praxen vorgesehen sind.

Welche Vorsorgemaßnahmen kann man treffen? Für Therapeuten und Patienten?

Wer vom Praxispersonal Krankheitssymptome bei sich feststellt sollte sich an einen Arzt wenden und besonders darauf achten, dass er niemanden ansteckt.
Die Influenzaviren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen, man sollte beim Niesen und Husten also Abstand zu Anderen halten und lieber in den Ärmel als in die Hand husten. Durch die Hand können die Erreger auf Flächen, wie z.B Türklinken weitergegeben werden und weitere Personen anstecken.
Händewaschen ist also wichtig. Einmaltaschentücher sollen nur einmal verwendet werden. Regelmäßiges Stoßlüften kann die Erregerzahl in Räumen reduzieren. Diese und weitere Maßnahmen sind beschrieben unter www.wir-gegen-viren.de. Bei Patienten sollte man in der nächsten Zeit auf Symptome achten. Patienten, die Symptome zeigen sollten gebeten werden, zunächst abzuklären, ob sie erkrankt sind, die Behandlung sollte verschoben werden, so dass im Wartezimmer und in den Behandlungsräumen niemand angesteckt wird.

Günther Dettweiler ist Pressesprecher des ­Robert-Koch-Instituts und ist Experte in ­Sachen Schweinegrippe
Günther Dettweiler ist Pressesprecher des ­Robert-Koch-Instituts und ist Experte in ­Sachen Schweinegrippe

Bei welchen Symptomen sollten Therapeuten aufmerksam werden?

Die Symptome der Neuen Grippe ähneln den Symptomen der jährlichen Grippe im Winter (saisonale humane Influenza). Dies sind Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit. Einige Menschen, die mit dem Erreger der Neuen Grippe infiziert waren, berichteten auch über Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Sollten Patienten ggf. Mundschutz tragen?

Eine Hygienemaske über Mund und Nase, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt, verringert in erster Linie die Anzahl von Erregern, die vom Anwender in die Umgebung ausgeatmet werden. Unter der Bezeichnung „OP-Maske“ oder „chirurgische Maske“ gehören Hygienemasken im Operationssaal zur Standardausrüstung für dort arbeitendes Personal, um die Patienten vor der Ausscheidung von Tröpfchen durch den Träger zu schützen. Hinsichtlich der Schutzwirkung für den Träger gibt es keine Studien zur Wirksamkeit. Das Tragen dieser Masken ist deshalb im Pandemiefall von der Weltgesundheitsorganisation für die Bevölkerung nicht speziell empfohlen.

Welche Personen sind besonders gefährdet?

Nach derzeitigem Stand des Wissens verläuft die Erkrankung bei jüngeren Personen eher schwerer als bei älteren. Ein besonderes Risiko durch eine Influenzaerkrankung haben Personen mit weiteren Grundleiden, wie z. B. der Atemwege, des Herz- Kreislaufsystems, des Immunsystems und Diabetiker. Auch Schwangere und sehr übergewichtige Personen scheinen schwerer zu erkranken.

„Man kann durch relativ einfache Hygienemaßnahmen viel erreichen.“

Wie sollten Praxisinhaber und Therapeuten auf Nachfragen von Patienten reagieren?

Bei Fragen zur Erkrankung und von Erkrankten sollte immer an einen Arzt verwiesen werden. Wichtig ist auch, das antivirale Medikamente, wie z. B.
Tamiflu, nicht ohne ärztliche Verschreibung und Kontrolle eingenommen werden.
Darüber hinaus gibt es vielfältige Möglichkeiten sich über die Situation bei der Neuen Grippe und über Präventionsmaßnahmen zu informieren, zum Beispiel auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Gesundheit und des Robert Koch-Instituts. Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt es kostenlos Informationsmaterial, das Bundesministerium für Gesundheit betreibt eine Hotline, wochentags unter der kostenlosen Telefonnummer 0800-44 00 55 0.

Werden Heilmittelerbringer zu denen gehören, die als erste Gruppe gegen die Schweinegrippe geimpft werden?

Für Deutschland wurden von den Bundesländern zunächst 50 Millionen Impfdosen gekauft. Da für eine Immunisierung zwei Impfdosen benötigt werden, reicht dies für ca. 30 % der Bevölkerung. Der Impfstoff wird voraussichtlich ab Herbst (September/Oktober) zur Verfügung stehen. Die Frage welche Personen zunächst geimpft werden, wird derzeit diskutiert. Dazu wird sicherlich das medizinische Personal gehören, das für die Versorgung von Erkrankten im Fall einer schweren Pandemie benötigt wird. Ebenso wird zunächst Impfstoff vorgesehen für Personal, das zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung notwendig ist. Deutschland ist in der guten Position, dass Verträge mit den Herstellern des Impfstoffes bestehen, so dass Impfstoff nachbestellt werden kann. Nach bisherigem Stand ist davon auszugehen, dass Personen, die sich impfen lassen wollen, auch geimpft werden können.
Für Arztpraxen empfiehlt die Berufsgenossenschaft eine vorbereitende Pandemieplanung. Ist so etwas auch für Heilmittelpraxen notwendig bzw. sinnvoll?
Es ist sicher sinnvoll, sich zu informieren und vorzubereiten. Dabei kann durch relativ einfache Verhaltensmaßnahmen, wie z.B. Kenntnis und Anwendung von Hygienemaßnahmen wie oben dargestellt, schon viel erreicht werden.
Arztpraxen, die Patienten mit der Neuen Grippe behandeln, ist eine Vorsorge um Ansteckungen zu vermeiden sicher besonders wichtig.

Service: Kostenloses Informationsmaterial und aktuelle Informationen zur Schweinegrippe finden Sie auf folgenden Internetseiten:

Robert Koch-Institut, Nordufer 20, D-13353 Berlin
Telefon: 030-18754-0, Fax: 030-18754-2328
www.rki.de

Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Referat Öffentlichkeitsarbeit, 11055 Berlin
Telefon: 030-18441-0 (bundesweiter Ortstarif),
Fax: 030-18441-4900
E-Mail: info@bmg.bund.de
www.bmg.bund.de

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung,
Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln
Tel.: 0221-8992-0, Fax: 0221-8992-300
E-Mail: poststelle@bzga.de
www.bzga.de

Das Bundesministerium für Gesundheit bietet eine kostenlose Bürger-Hotline an, unter der sich Bürgerinnen und Bürger zur Schweinegrippe (Influenza
A/H1N1) informieren können.
Hotline: 0800-44 00 55 0 (Mo bis Fr 8–18 Uhr)

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Inge Roberts
16.11.2009 14:21

Alles scheint so nicht so schrecklich zu sein! Vielen Dank… Weiterlesen »

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