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14 Thesen zu Heilmitteln: Parteien beziehen Stellung – Themenschwerpunkt zur Bundestagswahl 2017

Bevor Sie am 24. September Ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen, möchten Sie wissen, was die Politiker mit den Therapeuten vorhaben? Wir haben es für Sie herausgefunden: Sechs der großen Parteien haben uns ihre Positionen zu unseren 14 Thesen zur Heilmittelbranche mitgeteilt.
Bundestagswahl 2017

Die Politik hat die Therapeuten für sich entdeckt. Das beweist vor allem das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG), das sich unter anderem mit zwei großen Themen der Branche befasst: Modellversuche zur Blankoverordnung soll es geben, ein erster Schritt zu mehr Therapiefreiheit und Verantwortung. Und mit dem Wegfall der Grundlohnsummenbildung werden höhere GKV-Honorare möglich.

Einige Neuerungen der vergangenen Jahre waren, zumindest in ihrer Umsetzung, umstritten, etwa das mit dem Versorgungsstärkungsgesetz eingeführte Entlassmanagement. Die gute Idee, Patienten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus schnell eine ambulante Heilmitteltherapie zu ermöglichen, wird im Praxisalltag vermutlich an formalen Vorgaben scheitern. Und auch wenn Politiker von der Linken bis zur CDU es fordern: Konkrete Maßnahmen, das Schulgeld abzuschaffen, zeichnen sich gerade nur in Bremen ab.

Die Heilmittel-Richtlinie für Zahnärzte wiederum könnte für mehr und sinnvollere Verordnungen sorgen, wenn sich die Zusammenarbeit mit den Zahnmedizinern richtig einspielt. Laufende Modellvorhaben zur Akademisierung können die Therapieberufe langfristig aufwerten. Sie werden allerdings allem Anschein nach bis zum Jahr 2021 verlängert – es kann also dauern, bis die grundständigen Studiengänge endgültig zugelassen werden.

Puzzleteile einer Wahlentscheidung

Inmitten all dieser Veränderungen und Diskussionen steht nun die Bundestagswahl an. Natürlich spielt bei der Wahlentscheidung Ihre politische Grundhaltung genauso eine Rolle wie die vielen großen und kleinen politischen Themen, sozialpolitische und volkswirtschaftliche Fragen, Migration und Asyl, Sicherheit und Außenpolitik, Umwelt und Klimawandel und vieles mehr.

Ein Zünglein an der Waage wird aber auch sein, was die Parteien zu Ihrem Beruf sagen – vor allem zu den bestehenden Problemen. Um nur einige zu nennen: teure Ausbildung, niedrige Vergütung, Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie. Bislang gibt es dazu wenig Konkretes. Außer der Linken beschäftigte sich keine Partei in ihrem Wahlprogramm intensiv mit Heilmittelerbringern.

Parteien antworten auf unsere Thesen

Deswegen haben wir nachgefragt. 14 Thesen schickten wir den acht etablierten Parteien, die zur Bundestagswahl antreten. „Etablierte Parteien“ nach dieser Definition sind die, die derzeit Sitze im Bundestag und/oder in einem Landtag innehaben. Wir fragten, in alphabetischer Reihenfolge: AfD, Bündnis 90 / Die Grünen, CDU/CSU, FDP, Freie Wähler, Linke, Piratenpartei, SPD. Eine rechtzeitige Rückmeldung erhielten wir von allen Parteien außer den Piraten und der AfD.

Die Parteien haben unsere 14 Thesen jeweils mit „stimme zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ beantwortet und zu vielen Antworten Begründungen geliefert. Über die Links auf den jeweiligen Zwischenüberschriften gelangen Sie zu den Antworten der Parteien.

Eine Übersicht mit den Antworten aller Parteien auf alle Thesen finden Sie hier.

Thesen zur Vergütung

Die schlechte Vergütung in den Therapieberufen ist einer der Gründe dafür, dass viele ausgebildete Therapeuten in andere Branchen wechseln oder den Beruf erst gar nicht erlernen. Einen ersten vorübergehenden Schritt hat die Politik getan: Das HHVG setzt die Grundlohnsummenbindung für drei Jahre aus. Das bedeutet, dass GKV und Heilmittelverbände nun freier über Honorare für die Therapeuten verhandeln können.

Zeigen die Verbände Verhandlungsgeschick, kann das die Vergütung deutlich erhöhen. Doch ein Problem, die unterschiedlichen Gehälter im Osten und Westen, könnte vielleicht noch eine Intervention durch die Politik gebrauchen:

These 1 – Ost-West-Angleich: Die Vergütungssituation der Heilmittelerbringer in den östlichen Bundesländern muss noch in der kommenden Legislaturperiode auf das Niveau der westlichen Bundesländer angepasst werden.

These 2 – Grundlohnsummenbindung: Die Abkoppelung der Heilmittelhonorare von der Grundlohnsummenentwicklung muss nach den angepeilten drei Jahren fortgesetzt werden, damit die Vergütung in angemessenem Maße steigen kann.

Thesen zu Ausbildung und Akademisierung

Die veralteten Berufsgesetze der Heilmittelerbringer können einige Streitpunkte derzeit nicht lösen. Osteopathie etwa dürfen Physiotherapeuten nur noch als Heilpraktiker ausüben, Osteopathie-Verbände wollen einen eigenen Beruf daraus machen. Eine Idee von Vertretern der Physiotherapeuten und Orthopäden:

These 3 – Osteopathie: Die Osteopathie sollte als Unterrichtsfach in die Physiotherapieausbildung aufgenommen werden.

Trotz ihrer dreijährigen Ausbildung müssen Physiotherapeuten teure Weiterbildungen absolvieren, um das ganze Spektrum der Behandlung abdecken zu können. Ein Lösungsansatz ist eine umfassendere Ausbildung:

These 4 – Zertifikatsleistungen: Physiotherapeuten sollten im Rahmen ihrer Ausbildung Manuelle Therapie sowie Manuelle Lymphdrainage vollumfänglich als Ausbildungsbestandteil lernen und mit Zertifikat abschließen.

Auch an der Akademisierung hängen knifflige Fragen. Was passiert mit den alten Abschlüssen, mit den erfahrenen Therapeuten und all ihren Weiterbildungen? Sollen irgendwann alle Therapeuten studiert haben? Lässt sich das Berufsbild zweiteilen?

These 5 – Akademisierung: Alle neu ausgebildeten Heilmittelerbringer sollten in Zukunft eine grundständige akademische Ausbildung erhalten.

These 6 – Zwei-Stufen-Qualifikation: In Zukunft soll es bei den Heilmittelerbringern unterschiedliche Qualifikationsformen geben – Fachhelfer mit Berufsschul-Ausbildung und akademisch qualifizierte Fachtherapeuten.

87 Prozent aller Heilberufe werden auf Kosten des Staates oder des Gesundheitssystems ausgebildet. Heilmittelerbringer aber müssen ihre Ausbildung in Form von Schulgeld in 85 Prozent aller Fälle selbst bezahlen.

These 7 – Staatliche Finanzierung: Die Ausbildung der Heilmittelerbringer muss in Zukunft durch den Staat und/oder das Gesundheitssystem finanziert werden, auch an privaten Schulen und Fachhochschulen.

Thesen zu Direktzugang und Interessenvertretung

Die Blankoverordnung soll in den Augen vieler Therapeuten nur der Anfang auf dem Weg zum Direktzugang sein. Andere lehnen sie sogar ab, weil sie den sofortigen Direct Access fordern.

These 8 – Direktzugang: Patienten sollen in Zukunft auch ohne Verordnung eines Arztes den Heilmittelerbringer aufsuchen können (Direct Access).

Im wichtigsten Gremium der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens dürfen Therapeuten derzeit nicht über ihre eigenen Belange mitbestimmen:

These 9 – Gemeinsamer Bundeszuschuss (G-BA): Heilmittelerbringer müssen ihre Kompetenzen als stimmberechtigte Mitglieder im G-BA einbringen können, um dort z.B. mit über die nächste Überarbeitung des Heilmittel-Katalogs entscheiden zu können.

Nur knapp ein Drittel aller Heilmittelerbringer ist in Berufsverbänden organisiert. Es gibt keine zentralen Strukturen, die zuverlässige Daten über die Branche erheben und die alle Therapeuten vertreten könnte. Deswegen fordern einige Therapeuten:

These 10 – Therapeutenkammern: Zur Qualitätssicherung der Heilmitteltherapie ist es notwendig, verbindliche öffentlich-rechtliche Organisationsstrukturen (analog zu Ärztekammern) gesetzlich vorzuschreiben

Thesen zur Gesundheitspolitik

Die letzten vier Thesen beziehen sich auf etwas allgemeinere Themen, die für die Heilmittelbranche aber ebenfalls entscheidend sind:

These 11 – Bürgerversicherung: Die Privaten Krankenversicherungen sollen in eine allgemeine Bürgerversicherung überführt werden

These 12 – Gebührenordnung: Es ist notwendig, für Leistungen, die Patienten außerhalb des GKV-Systems beziehen, eine einheitliche Gebührenordnung für Heilmittelerbringer (analog zur GOÄ) zu erlassen.

These 13 – Elektronischer Heilberufeausweis: Die Heilmittelerbringer müssen schnell einen elektronischen Heilberufeausweis erhalten.

These 14 – Digitalisierung: Heilmittelerbringer sollen fester Teil des Gesundheitstelematik-Netzwerks werden und zukünftig ihre Therapiedokumentation in eine elektronische Patientenakte einpflegen können.


Hier noch einmal alle Links zu den Antworten auf die…

…Thesen zur Vergütung

…Thesen zu Ausbildung und Akademisierung

…Thesen zu Direktzugang und Interessenvertretung

…Thesen zur Gesundheitspolitik

Und schließlich noch einmal der Link zur…

…Übersicht: Die Antworten aller Parteien auf alle Thesen


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