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Wenn der Staat nicht einspringt: Schüler selbst fördern

Stipendien für zukünftige Mitarbeiter

Wenn der Staat nicht einspringt: Schüler selbst fördern

Physiotherapie-Schulen fehlen die Schüler – ein Grund ist sicherlich die teure Ausbildung. Das zeigte jüngst ein Streit um die Förderung von Schulgeld in Baden-Württemberg. Doch wo der Staat nicht fördert, können Praxisinhaber selbst einspringen und Schulen oder Schüler unterstützen.

up 06-2013
Fotocredit: Fotolia, Robert Kneschke

Die Physiotherapeuten-Ausbildung ist teuer, die Löhne niedrig. Es wundert wenig, wenn „Krankengymnast/in“ selten in den Traumjob-Listen junger Menschen auftaucht. Der Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK) wünscht sich deswegen für die Ausbildung mehr Geld vom Staat und lamentiert die mangelnde Förderbereitschaft im Ländle.

ZVK-Landeschef Michael Preibsch schildert in der Stuttgarter Zeitung die Lage: Praxen suchten händeringend Mitarbeiter, die Arbeitslosigkeit in der Branche sei gleich null und die Physiotherapieschulen, die sich überwiegend in privater Hand befinden, fühlten sich in ihrer Existenz bedroht. Eben diese Schulen kritisiert das Sozialministerium in Stuttgart: Mit 250 bis 440 Euro im Monat seien sie zu teuer – nicht nur Reiche sollten sich die Ausbildung leisten können. Dazu der ZVK: Schulen könnten nur weniger Geld verlangen, wenn sie mehr staatliche Fördermitteln erhielten. Und während Schulen und Bundesländer sich gegenseitig die Kosten zuschieben, warten viele Praxisinhaber weiterhin vergeblich auf die Bewerbungsmappen im Briefkasten.

Den Nachwuchs auf eigene Faust fördern

Doch Heilmittel-Praxen können Schüler und Schulen auch auf eigene Faust finanziell unterstützen. Ein mögliches Vorgehen wäre dabei, in Kooperation mit einer Schule oder Hochschule ein Stipendium auszuschreiben. Dazu wendet sich ein Praxisinhaber an die Schule und legt die Bedingungen für das Stipendium fest – vor allem, wie viel Geld zugeschossen wird. Zusammen suchen Praxis und Schule dann einen geeigneten Bewerber für das Stipendium aus. Als Kriterium muss hier nicht das Zeugnis von Realschule oder Gymnasium alleine herhalten – es kann auch ein Treffen mit dem Bewerber vereinbart werden oder ein Schnuppertag in der Praxis.

Der Bewerber wiederum verpflichtet sich, wenn er das Stipendium annimmt, nach seiner Ausbildung in der Praxis zu arbeiten. Tut er das nicht, sieht der Vertrag vor, dass das Stipendium zurückgezahlt wird. So ist es möglich, eine wasserdichte Vereinbarung zu schließen – ansonsten würde die Praxis viel Geld in einen potentiellen Mitarbeiter investieren, der sich am Ende vielleicht einen anderen Arbeitgeber sucht.

Praxisinhaber sollten auch versuchen, die Schule davon überzeugen, den Schüler für seine Praxisstationen zu ihnen zu schicken. So lernt der Auszubildende im Praktikum gleich die Praxis kennen. Hat er erst einmal den Abschluss in der Tasche, sorgt das für einen reibungsloseren Übergang in den Beruf – was natürlich auch dem Praxisinhaber zu Gute kommt, der den drei Jahre lang geförderten Nachwuchs dann schneller richtig einsetzen kann.

Akademisierung – wer zahlt die Studiengänge?

Die Branche diskutiert derzeit über eine Akademisierung. Bislang gibt es lediglich einige für Studierende kostspielige Studiengänge an privaten Hochschulen. Einen staatlichen Physiotherapie-Bachelor müssten die Studierenden nicht selbst zahlen – abgesehen von Verwaltungs- und eventuellen Studiengebühren. Die Universitäten werden neue Studiengänge aber wohl kaum im Alleingang finanzieren – hier wären wieder die Bundesländer gefragt. Das Szenario eines Physio-Bachelors an der Universitätsklinik haben wir in der Sonderausgabe „zukunft therapiepraxis – Entfesselte Therapeuten“ weitergesponnen:

www.buchner-shop.de/buecher-medien/unternehmen-praxis-themenhefte.html

Schulgeld in der Pflege wird abgeschafft – was ist mit Therapeuten?

Im November 2015 haben die Bundesministerien für Gesundheit und Familie einen Entwurf des neuen Pflegeberufsgesetzes vorgestellt. Er sieht vor, dass die Ausbildung von Pflegekräften ein einheitliches Curriculum bekommt – und kostenfrei wird. up hat daraufhin beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nachgefragt, ob es vergleichbare Pläne für Heilmittelerbringer gibt.

Laut der Pressestelle des BMG ist dies nicht der Fall „Die in den Ausbildungsgesetzen vorgesehene Regelung zur Finanzierung der Ausbildung entspricht der heute schon geltenden Rechtslage“, erklärt das BMG in einem Statement gegenüber up. „Da bei der Krankenpflegeausbildung die praktische Tätigkeit in der Ausbildung den theoretischen Anteil überwiegt, werden dort seit Jahrzehnten Ausbildungsvergütungen gezahlt. Eine vergleichbare Ausbildungsstruktur weisen die therapeutischen Berufe nicht auf.“

Die Ausbildungsregelungen unter anderem in Logopädie und Physiotherapie enthalten laut BMG keine Vorgaben zur Finanzierung. „Öffentliche Schulen unterstehen der Kultushoheit der Länder, private Schulen erheben in der Regel Schulgeld auf der Grundlage des privatrechtlichen Ausbildungsvertrages mit den Schülerinnen und Schülern“, so das BMG. „Schulen, die an Krankenhäusern eingerichtet sind, haben die Möglichkeit, die Ausbildungen über das Krankenhausfinanzierungsgesetz zu refinanzieren. Zudem sind die Ausbildungen BAföG-fähig.“

Einheitliche Curricula für Studiengänge?

Ein einheitliches Curriculum, wie es nun für die Ausbildung in der Pflege vorgesehen ist, gibt es für die fachschulische Ausbildung der Therapie-Berufe bereits. Doch könnte das auch für die akademische Therapeuten-Ausbildung nötig sein, die sich durch immer mehr Studiengänge ohne einheitliche Ausrichtung ausdifferenziert?

Das BMG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass – auch wenn Hochschulen Gestaltungsfreiheit bei theoretischem und praktischem Unterricht haben – Absolventen eines Studiengans der Physio-, Ergotherapie und Logopädie ihre Prüfung in den gleichen Fächern ablegen und dieselbe Anzahl an Mindeststunden leisten müssen wie die Abgänger von Therapie-Schulen. „Die praktische Ausbildung muss in vollem Umfang den Vorgaben der fachschulischen Ausbildung entsprechen“, teilt die Pressestelle des BMG up mit. „Hierdurch wird auch bei den akademischen Erprobungen eine ausreichende Einheitlichkeit der Ausbildungen gewährleistet.“ Das BMG weist darauf hin, dass für die Erarbeitung von Ausbildungscurricula die Länder zuständig sind. Auch die Rahmenlehrpläne des Bundes für die Pflege werden demnach nur empfehlenden Charakter haben.

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Pasedag , Cathrin
08.01.2016 16:32

Guten Tag, Ich finde die Idee mit dem Stipendium gut.… Weiterlesen »

Ralf Buchner
11.01.2016 17:32
Antworten an  Pasedag , Cathrin

Hallo, bitte einmal an die up|plus Hotline wenden, die können… Weiterlesen »

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